Faire du tourisme

Bevor wir wieder nach Ouagadougou zurück fahren, erfülle ich mir einen ganz privaten Wunsch und entdecke dabei das Ziel meiner Recherche: einen Gemüsegarten in einem Dorf der Sahelzone als Ergebnis einer gelungenen Maßnahme gegen die Desertifikation. Ganz nebenbei gelingen mir sehr schöne Bilder des zugehörigen Bilderbuchdorfes Seno. Und das quasi nebenbei, vom Rücken meines Dromedars aus.

Soviel also zu meinem privaten Wunsch, einmal auf dem Rücken eines Kamels durch die Wüste zu reiten (zugegeben, vorerst ist es nur eine Düne, aber wo eine Düne ist, ist irgendwo – hinten am Horizont nämlich – auch eine echte Wüste). Cissé, der schon gestern den Kontakt zu Souma Bokoum Adjan, der Peul-Frau, hergestellt hat, konnte nicht nur ein Dromedar und seinen Besitzer auftreiben, der außerhalb der eigentlichen Touristensaison bereit ist, mich durch die Gegend zu führen, sondern weiß auch Details aus dem dörflichen Alltag zu erzählen. Das füllt mein Bild von der Sahelzone nach all der grauen Theorie der Förderorganisationen erfreulicherweise zusehends mit Farbe.

Alltag und Biotop

Mein Kamelritt führt nach Seno: hier betreibt die Union Fraternelle des Croyants seit April 1993 ein kleines Biotop. Ein künstlich angelegter Teich lässt in einem sorgfältig betriebenen Gemüsegarten Zwiebel, Salat, Kraut und Karotten ebenso gedeihen wie Minze und Piment. Die Männer bestellen stolz den Garten und das gesamte Dorf notiert mit Bleistift in mit vom Sand rot gefärbten, abgeschmirgelten Schreibheften: meinen Namen im Besucherheft, die Zahl der geernteten Karotten im Ernteheft, die Zahl der geschöpften Plastikeimer im Heft für den Wasserverbrauch. Die Kinder und die Frauen wollen fotografiert werden und wir machen uns einen lustigen Zeitvertreib daraus, das schönste Foto zu küren: mit Babys, ohne Babys, die Frauen beim Stampfen der Petitmille oder beim Wasserpumpen am Brunnen. Cissé erzählt von der Bedeutung der Petitmille: aus ihren Körnern machen die Frauen Tô, Couscous und Suppe, die Reste dienen den Tieren als Futter oder als Wärmedämmung in den Häusern.
Dass es in den Häusern angenehm kühl ist, liegt auch an dem besonderen Sand, der zum Verputzen der Wände verwendet wird. Cissé zeigt mir in der Nähe der Düne ein Gebiet, in dem der Sand zunächst weiß, dann gelb ist. Der weiße Sand, erklärt er, spendet Kühle, der gelbe gibt die Farbe. Auch wenn es mir unbegreiflich ist, die Wirkung habe ich überprüft. Die Inneneinrichtung der Wohnhäuser ist einfach: zwei Matten auf dem Boden, 4 oder 5 Kleidungsstücke hängen an Haken in der Wand. Der Rest des Lebens findet unter freiem Himmel statt: Tiere, bunte Gefäße, Kinder, farbenfrohe Kleidung stapeln sich im Schatten unter den Bäumen, wo sich die Frauen mit den Kindern niedergelassen haben und nähen, schlafen oder Petitmille stampfen.
Aufgebaute Tore auf einem großen freien Platz im Dorf, in dem außer den Peul auch noch Tamanrasset (die früheren Sklaven der Tuareg) leben, zeugen außerdem von der Lieblingsbeschäftigung der männlichen Dorfjugend: Fußballspielen. Zwei junge Männer, Bekannte von Cissé, denen er Karotten abkauft, freuen sich bereits auf die kommende Fußballweltmeisterschaft und würden mir gerne bei einem thé au mente (Minztee) mehr von ihrer Leidenschaft erzählen. Leider drängt die Zeit, der Bus nach Ouagadougou fährt ab und ich muss noch auf meinem Dromedar in die Stadt zurück. Die Hitze steigt, und Cissé erzählt von den Fortschritten in Dori: Zwangsehen gibt es hier nicht mehr, meist verdienen sogar die Frauen das Geld. Dass sie ebenso wie die jungen Männer die Schule besuchen ist mittlerweile selbstverständlich und selbst höhere Schulbildung ist nicht unüblich. Die Stadt verlassen wollen aber die wenigsten. Cissé erzählt, er wäre vor zwei Jahren einmal in Ouagadougou gewesen, um eine Freundin zu besuchen, die dorthin gezogen sei. Aber es habe ihm nicht gefalle. Ouagao sei zu groß und zu unpersönlich. Wenn man hier in Dori in Not sei oder nicht wisse, wo man schlafen solle, müsse man nur an eine Tür klopfen und die Leute würden einem zu essen geben und einen zum Übernachten einladen. In Ouaga sei das anders, wenn man da niemanden kenne, müsse man am Straßenrand übernachten. Deshalb bleibt er auch gerne hier, wo man der Natur näher ist und man die Nachbarn kennt. Hier gibt es schließlich immer jemanden, der einem hilft, wenn man etwas braucht. Trotzdem würde er sich freuen, wenn ich bei meinem nächsten Besuch in Burkina Faso wieder vorbei käme und erzählen könnte, wie es im Rest der Welt so aussieht.

Tags: , , , , ,

0 Comments

leave a comment

You must be logged in to post a comment.