Das Theater Osnabrück und das Drama Theatre Russe zeigen “Rustschuk – die gerettete  Zunge” nach Elias Canetti

Erinnerungen sind selten klar. Oft verschwimmen die Bilder, fügen sich zusammen, zerfließen wieder. Eine Autobiographie zu schreiben bedeutet immer auch, sein Leben neu zu erfinden. Der Regisseur und Bühnenbildner Ivan Stanev hat für das Wesen der Erinnerung ein überragendes Bild gefunden.

Theater Osnabrück und Drama Theatre Russe, Rustschuk – die gerettete Zunge nach Elias Canetti

Theater Osnabrück und Drama Theatre Russe, Rustschuk: "Die gerettete Zunge" nach Elias Canetti

Die Bühne des Emma-Theaters, der kleinen Spielstätte des Theaters Osnabrück, steht unter Wasser. Über die Lautsprecher tönt die Stimme des Schriftstellers Elias Canetti, es ist ein Interview zu seinem 70. Geburtstag. Deutsch – so hören wir – ist erst die vierte Sprache, die er gelernt hat. Dazu bewegt sich eine überdimensionale Zunge am Rand des Bassins. Den ersten Teil seiner Autobiographie hat Elias Canetti “Die gerettete Zunge” genannt. Eine seiner frühesten Erinnerungen handelt von einem Mann, der  mehrmals drohte, ihm, dem kleinen Jungen, die Zunge herauszuschneiden. Die Zunge verschwindet, der Schauspieler Jan Schreiber nimmt an einem Tisch Platz, hinter Mikrofon und Schreibmaschine.  Er sieht wie der ältere Canetti aus und nähert sich auch sprachlich der wienerischen Sprachmelodie des Autoren. Die Rückschau auf die frühen Jugendjahre beginnt.  Bilder schimmern durch die Wasseroberfläche hindurch. Erst sind es Porträtfotos, Canetti als Kleinkind, als Jugendlicher, als Erwachsener. Später sind es Postkarten die Rustschuk, die Stadt an der Donau, die heute Russe heißt, zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeigen. Sie drehen sich, zerlaufen, fließen ineinander. Was der Videokünstler Thorsten Alich hier zusammen mit der Osnabrücker Technik leistet, ist grandios. Wir schauen in Canettis Kopf, beobachten den Prozess des Erinnerns.
Read more...

Am 23. Februar soll Lothar Trolles Stück “Der Engel von Sibiu” am dortigen Theater Radu Stanca Uraufführung haben. Die Bühne hat eine deutsche Abteilung, an der Oberhausens Intendant Peter Carp nun inszeniert. Ein Gespräch kurz vor dem Abflug nach Sibiu.

Peter Carp © T+T Fotografie

Peter Carp © T+T Fotografie

Wie kam es zur Zusammenarbeit von Oberhausen und Sibiu?

Carp: Ich habe schon in Luzern, als ich dort tätig war, mit Künstlern aus anderen Ländern zusammen gearbeitet. Das habe ich in Oberhausen fortgesetzt. Das wurde am Anfang etwas belächelt. Dann fingen die Leute an, das ernst zu nehmen, jetzt machen es viele Theater. Und es wird sogar von der Kulturstiftung des Bundes unterstützt, mit dem Fonds Wanderlust. Das hat mich sehr gefreut. Es gab schon ein paar Kontakte zum Theater nach Sibiu. Der Regisseur Andrej Zholdak, der regelmäßig bei uns arbeitet, inszeniert auch in Sibiu. Dort gibt es eine deutsche Abteilung. Wegen der deutschen Minderheit, die nach wie vor in Sibiu – dem ehemaligen Hermannstadt – lebt.  Insofern bot es sich an, auch über das Thema Migration nachzudenken. Viele Deutsche sind ja in den neunziger Jahren aus Sibiu weggegangen.
Read more...

Eine bulgarisch-deutsche Koproduktion im Theater Osnabrück bringt die Kindheit von Elias Canetti auf die Bühne

Ein Probenbesuch

Rustschuk in Bulgarien, Manchester, Zürich, Wien – das sind die Orte, an denen der Schriftsteller Elias Canetti seine Jugend verbracht hat. Der Literaturnobelpreisträger hat die ersten 15 Jahre seines Lebens im ersten Band seiner Autobiographie beschrieben. “Die gerettete Zunge” heißt das Buch. Das Theater Osnabrück bringt es nun auf die Bühne, als Koproduktion mit dem Theater Russe. So heißt die Stadt Rustschuk, die fünftgrößte in Bulgarien, heute. Der aus Bulgarien stammende und in Berlin lebende Regisseur Ivan Stanev inszeniert mit einem gemischten Ensemble aus beiden Ländern. Freitag ist Premiere.

Ein kleines Kind  beobachtet sein Kindermädchen und ihren Liebhaber. Die beiden fühlen sich ertappt. Sie droht dem Jungen, wenn er etwas verrate, dann würde sie ihm die Zunge rausschneiden. Elias Canetti schweigt, jahrelang. Viele Jahrzehnte später nennt er den ersten Teil seiner Autobiographie “Die gerettete Zunge”.

Die Zunge spielt mit. Sie ist ein überdimensionales Ding, das sich langsam bewegt, züngelnd. Fast wirkt es als säße zusammengekauert jemand unter Stoff, ein aufopferungsvoller Tänzer vielleicht. Dann drückt die Regieassistentin auf einen Knopf, und die Zunge steht still. Sie ist eine Maschine. Eine faszinierende, eklige Maschine, die auch ein seltsames Wesen aus der Tiefsee sein könnte.


Read more...

Kommunikation- und Übersetzungsherausforderungen prägen die ersten Arbeitstage – selbst einfache Theatervorgänge übersetzen zu lassen, sind ein zeitraubendes Abenteuer. Während der Proben klingeln zu unserer Überraschung ständig Handys, aber keiner der Angerufenen ist peinlich berührt, wie das bei uns der Fall wäre, die Anrufe werden selbstverständlich entgegengenommen und es wird telefoniert. Mir unbekannte Menschen kommen in die Proben, unterhalten sich und gehen dann wieder. Trotz der Unruhe und des ständigen Geräuschpegels können die chinesischen Schauspieler aber völlig konzentriert arbeiten. Ich nehme an, dass diese Fähigkeit der tonalen Sprache der Chinesen geschuldet ist – meine Irritation weicht Bewunderung, – aber die Frage in welchem Film ich gelandet bin, läßt mich nicht los.

Doch des Rätsels Lösung klärt sich schnell: „Kung–Fu“, das Genre ist klar.

Auf meine Bitte an den chinesischen Choreographen, doch ein gemeinsames Körpertraining für die deutschen und chinesischen Schauspieler zu gestalten, fliegen die chinesischen Schauspieler nur so durch die Luft, da werden in einem Tempo Räder und Pirouetten geschlagen, dass mir der Atem stockt. Unsere deutschen „Agenten“ sehen „alt“ aus neben ihren chinesischen Kollegen. Und jetzt stelle ich mir die Frage, ob ein chinesischer James Bond nicht sehr viel glaubwürdiger wäre.


Read more...

Wir fliegen nach China und spielen dort Theater mit chinesischen Kollegen des Huajuyuan Theaters in Qingdao! Klar war Folgendes: Wir würden in deutscher, die Kollegen in chinesischer Sprache spielen.

Wie nähert man sich so einem zweisprachigen Projekt eigentlich an?

Wir probten Szenen unseres gemeinsamen Stückes “Das weiße Zimmer”, begannen mit “Kinderspielen” um das Eis zu brechen und die Namen zu lernen, begannen immer mit einem 45-minütigem Aufwärmtraining. Das chinesische Theater wirkt fremd, visueller, akrobatischer; unsere chinesischen Kollegen sind sehr körperlich. Und fit! Insgesamt ist mehr Bewegung in den Stücken, Gefühle werden groß gezeigt.

Auf Knopfdruck können sie alles spielen; sehr schön zu sehen beim Scharade spielen! Baum, Donner und Blitz oder ein Krebs werden blitzschnell mit dem ganzen Körper umgesetzt.


Read more...

Older Posts