Kommunikation- und Übersetzungsherausforderungen prägen die ersten Arbeitstage – selbst einfache Theatervorgänge übersetzen zu lassen, sind ein zeitraubendes Abenteuer. Während der Proben klingeln zu unserer Überraschung ständig Handys, aber keiner der Angerufenen ist peinlich berührt, wie das bei uns der Fall wäre, die Anrufe werden selbstverständlich entgegengenommen und es wird telefoniert. Mir unbekannte Menschen kommen in die Proben, unterhalten sich und gehen dann wieder. Trotz der Unruhe und des ständigen Geräuschpegels können die chinesischen Schauspieler aber völlig konzentriert arbeiten. Ich nehme an, dass diese Fähigkeit der tonalen Sprache der Chinesen geschuldet ist – meine Irritation weicht Bewunderung, – aber die Frage in welchem Film ich gelandet bin, läßt mich nicht los.

Doch des Rätsels Lösung klärt sich schnell: „Kung–Fu“, das Genre ist klar.

Auf meine Bitte an den chinesischen Choreographen, doch ein gemeinsames Körpertraining für die deutschen und chinesischen Schauspieler zu gestalten, fliegen die chinesischen Schauspieler nur so durch die Luft, da werden in einem Tempo Räder und Pirouetten geschlagen, dass mir der Atem stockt. Unsere deutschen „Agenten“ sehen „alt“ aus neben ihren chinesischen Kollegen. Und jetzt stelle ich mir die Frage, ob ein chinesischer James Bond nicht sehr viel glaubwürdiger wäre.

Trotzdem wir vor den enormen motorischen Fähigkeiten der chin. Kollegen in die Knie gehen, scheint die Scheu davor, sich mit Händen und Füßen non-verbal zu verständigen, sich mehr und mehr zu verflüchtigen. … die Chinesen loben sehr schnell – auch einander, was alle sehr mutig, offen und mit Freude an die Arbeit gehen lässt … die Kommunikation funktioniert immer besser … der Geräuschpegel auf den Proben, wird auf meine Bitte hin eingedämmt… und meine Überzeugung, dass es eine gemeinsame Sprache jenseits der Sprache gibt, wächst.

Aufgrund der Schlafschwierigkeiten, die mir die Zeitumstellung China /Europa bescherte, schlafe ich in der ersten Woche nur 3 Std. pro Nacht … bin bald krank – Bronchien laufen heiß, Nase rinnt, und mein Gehirn hat ungefähr die Denkleistung eines chinesischen Hefegebäcks – arbeite trotzdem. Morgens erwarten die Chinesen mich mit Hustensaft und Geschenken zum leiblichen Wohl. Dann werde ich ohne Übersetzer aber in Begleitung meiner Dramaturgin zu einem chinesischen Arzt geschickt: Akkupressur – Massage!!!!

Maren, meine Dramaturgin landet auf der Liege neben mir.

Kurze Zeit später stöhnt meine Dramaturgin durch die von der Massage hervorgerufenen Schmerzen laut auf … ich gebe genüßlich zu verstehen, daß meine  Behandlung viel sanfter und sehr angenehm sei…dann auch bei mir ein plötzlicher Schmerz, als ob ein Zeh abgetrennt würde …. ich bäume mich auf…kann mich aber gerade noch zurückhalten, den Arzt nicht zusammenzuschlagen … (was  mir schlecht bekommen wäre, da er die Statur eines Schlachtermeisters hat) … er lacht aus vollem Herzen … ich beruhige mich wieder.

Danach werde ich geschröpft, Unterdruck – Glaskugeln am Rücken – auch eine besondere Erfahrung … mein Rücken sieht noch eine Woche danach aus wie ein Streuselkuchen – aber die Behandlung hilft, meine Beschwerden flüchten in einer Geschwindigkeit, die mir wie ein Wunder vorkommt.

Dann wieder auf die Probe – die Schauspieler warten mit einer riesigen Torte auf uns, mit Zuckerguß sind die deutsche und chinesische Flagge auf dem Sahnerund gemalt – mir wird eine goldene Pappkrone aufs Haupt gesetzt – alle klatschen – und ich weine rotzend und triefend und bin völlig gerührt, während mein Körper durch die gerade hinter mich gebrachte Behandlung immer noch an allen Ecken schmerzt.

Und trotz alledem: der frühzeitigen Alterung durch Beteiligung an „Kung-Fu“ Filmen, dem Hörgenuß eines täglichen Handy-Orchesters, der ästhetischen Verfeinerung meiner Rückenpartie durch Hämatome, – habe ich täglich dem Geschenk dieser Zusammenarbeit gedankt – nie bin ich großzügigeren, humorvolleren und herzlicheren Menschen begegnet.

Maya Fanke (Regisseurin von “Das weisse Zimmer”)

1 Comment

  1. Henning Bochert | 2.02.2011 10:50

    Leider ist dem plastischen, sympathischen Bericht kein Name der/des Autor/in beigefügt, trotzdem vielen Dank für die Schilderungen, die gleich wieder Lust machen, sich in neue Abenteuer zu stürzen. Nach der Erfahrung als Dramaturg bei SumSum² in Erlangen/St. Petersburg habe ich im Oktober bei einer Chinareise Verbindungen in Beijing und Shanghai geknüpft und hoffe, bald engere Bande zu stricken. Schön, dass andere diese speziellen Erfahrungen teilen. Beste Grüße und viel Erfolg!!

    Henning Bochert, raum4

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