Kontil und ich leihen uns Ouelgo Tenes Moped und fahren damit zwei Stunden in den Norden, in ein Dorf in der Nähe von Tema, in dem Kontils Familie, seine Onkel und Tanten, heute Funerailles, Begräbnisfeiern mit dem typischen Maskentanz, begehen. Zunächst ist es vor allem heiß und staubig, während wir im Kampf gegen röchelnde Zündkerzen zuerst über die Landstraße, dann über immer kleiner werdende dirt tracks hüpfen und holpern – natürlich in Höchstgeschwindigkeit. Ich bin froh, als wir endlich angekommen sind und von Kontils Onkeln in Empfang genommen werden. Den Genuss von burkinischem Whisky und selbstgebranntem Gin lehne ich allerdings ebenso konsequent ab wie das von den Dorfbewohnern selbst gebraute Hirsebier Dolo.
Jetzt zur Mittagszeit haben sich die Dorfbewohner nach einer durchtanzten und durchzechten Nacht in Grüppchen unter den Mangobäumen nieder gelassen, die Männer hier, die Frauen dort. Zum Teil kommen die Leute von weit her, um an den Funerailles teil zu nehmen, oft hat man einander lange nicht gesehen und viel zu erzählen. Auch Kontil hat seine Onkel seit einem Jahr nicht gesehen, auch sind viele Verwandte aus dem Dorf seiner verstorbenen Mutter gekommen, unter anderem seine Tante, die Schwester seiner Mutter. Man freut sich über das Wiedersehen und zieht sich zu Gesprechen zurück.
Französisch wird hier auf dem Dorf kaum gesprochen. Man spricht Moore, die Sprache der Mossi, die in unserem Projekt auch auf der Bühne gesprochen werden soll. Hier, bei den Funerailles, lernt man schnell den Grundwortschatz, denn alle wollen „la blanche“ die Hand schütteln, sie fotografieren und begrüßen:
Né y yibeoogo (gesprochen: Nija béogo) Guten Morgen!
Laafi Wie geht’s?
(Man antwortet darauf übrigens wie beim französischen „Ca va“ ebenfalls mit laafi. Bei Funerailles legt man ergänzend die Handflächen in einander, so dass sich die Daumen kreuzen und verbeugt sich leicht.)
Barka Danke.
Nye Ja.
Ayó Nein.
Mam yuur ya a … Ich heiße / Mein Name ist…
Mam data koom. Ich möchte Wasser
koom Wasser
Mam data n dime. Ich möchte essen. (in dringenden Fällen wird in Moore die Aussprache einfach schärfer und das weich hinüber gebundene Mam data n dime zu einem harten Mam data dim. – Ein Grund, warum das grundsätzlich unmelodischere Deutsch zu einem per se harten Akzent führt, der wie man mir glaubhaft versichert hat, auf die Muttersprachler wirkt, als befände sich der Moore sprechende Deutsche permanent in einer lebensbedrohlichen Situation.)
ampanne Panne
Woto ya soame. Das ist gut.
Yaa woto So ist es.
Mam yamé. Ich bin müde

Mit diesem Grundwortschatz schlägt man sich ganz ansehnlich durch den Tag, vor allem, wenn man sich hinter einem Fotoapparat verschanzen und sich mit Gesten und Bildern verständigen kann.
Obwohl ich dem ganzen Dorf Dolo, den Dorfältesten Kola-Nüsse und dem Dorfvorstand eine Ziege, das übliche Gastgeschenk, spendiert habe, darf ich von dem eigentlichen Maskentanz keine Aufnahmen machen. Der Tanz am Nachmittag ist im Gegensatz zu dem am frühen Morgen ein Ritual und der Priester hat Angst, dass die Tanzbewegungen aufgrund der Aufnahmen von Laien nachgeahmt und damit profanisiert, entweiht, werden könnten. Sobald der Maskenträger nämlich zu tanzen beginnt, ist er nicht mehr ein einfacher Dorfbewohner, sondern es ist der Geist, der tanzt. Zuschauen ist mir allerdings erlaubt, als die ersten der insgesamt 31 Masken auftauchen. Eingenäht in schwarzes Fell, Tiermasken auf dem Kopf, die unter anderem Vogel und Gazelle symbolisieren, werden die Maskenträger von einem Verwandten auf den Dorf-Vorplatz geführt. In der Hand halten sie eine Rute, mit der sie nach Passanten, vor allem aufkreischenden Kindern, schlagen. Bevor die Masken zu tanzen beginnen, hocken sie sich zu den Familien in den Schatten, erschrecken die Kinder oder zeigen stolz ihre Präsenz. Wenn der eigentliche Tanz, ein ekstatisches Schütteln, Springen und Stöckeschlagen, beginnt, stehen die Männer im Kreis um die Tanzenden herum und schauen zu.
Die Frauen versammeln sich während dessen im Inneren des Dorfes. Sie tragen ihre schönsten und buntesten Gewänder, schlagen mit Löffeln auf in Wasser gebettete Kalebassen und singen und tanzen. Auf der anderen Seite des Dorfes messen sich junge Männer in großen Sprüngen und Boxbewegungen, während sich weiter hinten eine kleine Gruppe zusammen gefunden hat und sich mit Reparaturen beschäftigt. Unter anderem wird hier auch unser Moped wieder in Gang gesetzt. Allmählich packen immer mehr Händler ihre Waren aus: die Frauen präsentieren auf am Boden ausgebreiteten Decken kleine runde Hirsekuchen, die wie Muffins aussehen, frittierte Hirsebällchen oder frisch von den Bäumen gepflückte Mangos, die Männer auf Holztischen und Bänken selbstgebrannte Schnäpse, Zigaretten und Bonbons.
Eine letzte Runde, um sich von allen zu verabschieden, den Tanten, den Onkeln, den Kindern und den Alten – Wend na kod nin dare: Aufwiedersehen -, dann begleitet von einer wunderschönen Abendstimmung in weiter Buschlandschaft durch Sand und Staub zurück nach Ouaga.

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