Peter Spuhler und Jan Linders

Eigentlich wurzelt die Idee zu einem Wanderlust-Projekt mit Israel ja in der Musik. Jan Linders, der Heidelberger Schauspieldirektor und künstlerische Leiter sowohl des Stückemarkts als auch des Familienbande-Projekts erzählt die Geschichte nach Ende des ersten Autorentages an einem der Biertische vor dem Zwinger. 2004 hatte er gemeinsam mit Stephan Barbarino ein Stück über und für Giora Feidman, den Klarinettisten geschrieben: „Nothing but Music“. Und dafür natürlich in Israel recherchiert. Danach entwickelte er die Idee zu einem Film über Musiker in Jerusalem auf beiden Seiten der Mauer. Aus Geldmangel ist daraus bisher nichts geworden. Aber das Thema war da. Ein Land war gefunden, das voller Rätsel und offener Fragen steckt und das zugleich „das bekannteste und unbekannteste der Welt“ sei.

Peter Spuhler hingegen, Linders Intendant, den er seit 1989 kennt, als beide an George Taboris Theater Der Kreis arbeiteten (Spuhler als Assistent und Linders als Hospitant), war dieser Idee gegenüber anfangs skeptisch. „Ich war deutsch und ich war dumm“, hat er bereits etwas früher am Tag am gleichen Biertisch erzählt. „Ich dachte, man könne doch nicht nur mit Israel kooperieren, sondern müsse auch die Palästinenser mit einbeziehen…

Hinweis am Bauzaun des Heidelberger Stadttheaters

Aber als wir dann hinfuhren und ins Büro von Georg Blochmann kamen, dem Leiter des Goethe Instituts in Tel Aviv, sagte der zu uns: ‚Wenn Sie mich um Hilfe bei einem Palästinenser- oder Shoah-Projekt bitten, werfe ich Sie gleich wieder hinaus. Das will hier nämlich keiner machen.’ Und Jan saß damals daneben und grinste.“ Wenn Israel, dann als Auseinandersetzung mit dem israelischen Theater um seiner selbst willen und nicht als trojanisches Pferd im Dienste einer Nahostfriedensbemühung mit Stadttheatermitteln. So ungefähr? So ungefähr.

Künstliche Schwere

Mit Israel und Deutschland treffen für Spuhler zwei „Theaternationen aufeinander, die ein gleich großes Selbstbewusstsein haben“. Wobei israelische Theater wie das Cameri oder das Beit Lessin im Servicebereich ganz vorne seien (mit Callcentern, Kreditkartenbezahlung etc.), je etwa eine Million Besucher im Jahr vorweisen könnten und hundertprozentige Gegenwartstheater wären. „Die Geschichten werden meist von Theaterpraktikern geschrieben, funktionieren wie die Lindenstraße, werden von fantastischen Schauspielern gespielt – und die Häuser sind voll“, so Spuhler. „Das muss man sich doch einmal näher anschauen!“

Eine Diskussion über den Kunstbegriff allerdings würde vermutlich schnell zum Streit führen. „’Ihr macht es euch künstlich schwer mit eurer ständigen Abstraktion und Publikumsferne’, sagen die zu uns – und da steckt der Begriff  Kunst natürlich schon wieder drin“, sagt der Intendant und sieht dabei nicht unzufrieden aus. Wenn im September „They call me Jeckisch“ und „Undercover Tel Aviv“ in Tel Aviv gastieren, wird sich eine solche Diskussion natürlich nicht vermeiden lassen. Zumal zur Fremdheit der dekonstruktiven Ästhetik auch die Konkretion des Stoffes vor Ort hinzukommt. „Aber inzwischen lernen wir unsere Partner ja immer besser kennen. Und da wird es uns auch gelingen, uns offen auseinanderzusetzen.“

Was fürs Leben

Dass die Israel-Kooperation aus mehreren kleinen Teilen bestehen muss, war Jan Linders von Anfang an wichtig. Es gibt ja „riesige ästhetische Differenzen“ bestätigt auch er, die Theater seien „komplett inkompatibel“, und da brauche es eben eine Politik der kleinen Schritte.  Die Inkompatibilität beginnt schon damit, dass Schauspieler, die in Deutschland arbeiten, von Israel aus weiterbezahlt werden müssten, was deren System einer nach gespielten Aufführungen gestaffelten Gage aber nicht vorsieht. Von den unterschiedlichen Vorstellungen von so etwas wie Bühnenbildästhetik ganz zu schweigen.

Doch das zweijährige Projekt ist für Linders mehr als nur eine intertheatrale Forschung. Die Recherche und Arbeit hätte bereits jetzt das Leben vieler Beteiligten verändert, die sich Reisepässe hätten zulegen müssen, auf eigene Faust Israel bereisen oder persönliche Beziehungen geknüpft hätten.

Oded Liphshitz, der Autor des heute präsentierten Stückes „Hinter mir geht das Licht auf“, kommt mit seiner Freundin aus dem Zwinger, winkt Linders zu und verschwindet im schwäbischen Sandsteinbarock der Zwingergasse. „Das finde ich auch klasse“, sagt der künstlerische Leiter da noch. „Nicht wenige Künstler bringen auf eigene Kosten ihre Partner mit, und die Freundin von Oded Liphshitz etwa hat das gesamte Publikumsgespräch auf ihrem iPhone aufgenommen. Sie sind zum ersten Mal in Deutschland und stolz, hier zu sein – das ist doch wirklich etwas für die Zukunft.“

Aufschrift auf der Treppe im Zwinger. Fotos: Petra Kohse

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