Riesenandrang, darunter die kroatische Ministerin für Kultur, Dr. Andrea Zlatar Violić, und das kroatische Fernsehen. Die Premiere von “Yellow Line” geriet so zum gesellschaftlichen Ereignis. Dabei fasst die Seitenbühne des Großen Hauses, wo “Yellow Line” am Samstagabend aufgeführt wurde, offiziell lediglich 146 Zuschauer. Gesehen haben das neue Stück von Juli Zeh und Charlotte Roos allerdings rund 200 Besucher.
Unter den Gästen waren auch der belgische Theaterleiter und ETC-Vorstand Serge Rangoni, Juli Zehs Übersetzerinnen Latica Bilopavlovic (Kroatien) und Christine Bredenkamp (Schwenden) sowie Paolo Magelli. Der italienische Regisseur und Intendant wird im November auch in Braunschweig zu Gast sein. Als prominentes Mitglied der Jury von “Fast Forward”, Deutschlands erstem europäischen Festival für junge Regie, wird er das herausragende europäische Regietalent 2012 auszeichnen.
Entsprechend ausgelassen war dann auch die Feier bis in die frühen Morgenstunden. Kulinarischer Hit des Abends war eine Torte aus Schokoladenmousse, auf die der Konditor den Anlass der Party in süssen Lettern geschrieben hatte: “Žuta crta”, zu Deutsch: “Yellow Line”.
Für die internationale Partnerschaft zwischen dem Staatstheater Braunschweig und dem z/k/m Theater in Zagreb haben die Autorinnen Juli Zeh und Charlotte Roos gemeinsam das Stück „Yellow Line“ geschrieben, das am Wochenende in Braunschweig Premiere feierte (hier mein Eindruck von Stück und Inszenierung). Es ist ein kluger, komischer Text über das Freiheits- und Demokratiestreben der westlichen und der arabischen Welt, der mit der Uraufführung seinen Weg über die Bühnen wohl erst begonnen hat. Ungewöhnlich, dass zwei Autorinnen ein Stück verfassen, das so aus einem Guss wirkt – oder ist es gerade der kollektive Schreibprozess, der kritische Blick zweier Dramatikerinnen, der den Text gelingen ließ? Und warum nahmen die Beiden eine fliegende Kuh zum Anlass, um über Freiheitsbewegungen nachzudenken? Ein Gespräch mit Charlotte Roos.
Wie kam es zur Zusammenarbeit zwischen Juli Zeh und Ihnen beim Stückauftrag fürs Staatstheater Braunschweig?
Es war unser Vorschlag, zu zweit zu schreiben. Wir kennen uns gut und hatten schon seit längerer Zeit Lust, etwas zusammen zu machen. Juli wurde vom Theater Braunschweig dann gebeten, ein Stück zu schreiben – wir haben angefragt, ob wir das auch gemeinsam machen dürfen und dem wurde zugestimmt.
Ging das von einem gemeinsamen inhaltlichen Anliegen aus?
Das von Braunschweig vorgegebene Thema von Luftfahrt wurde ja sehr breit gefasst. Als wir versucht haben, uns dem zu nähern, haben wir noch mal deutlich gemerkt, dass wir zu ähnlichen Themen schreiben möchten – und dass wir auch ähnliche Dinge lustig und seltsam finden. Juli hatte zum Glück schon Erfahrung in der Zusammenarbeit mit anderen Autoren, was am Anfang sehr hilfreich war. Wir haben dann wild drauflos gelesen und uns vor allem für das Buch „Schöne neue Kuhstallwelt“ von Bernhard Kathan begeistert. Es geht darin um den Aspekt des Herdenmanagements – daraus entstand die erste Figur: der Herdenmanager. Dann sind wir auf die Zeitungsmeldung von der fliegenden Kuh gestoßen. Das ist natürlich grotesk: Wenn man sich ein Tier vorstellt, das abheben könnte, ist das als letztes eine Kuh. Die Zeitungsmeldung besagte aber tatsächlich, dass im Pazifik ein Fischerboot von einer Kuh getroffen wurde. Die Fischer wurden verhaftet, weil man glaubte, es könnte sich um eine Geheimdienstsache handeln – ganz wie wir das übernommen haben. In der Meldung hing es mit einem Viehdiebstahl zusammen: Die gestohlenen Kühe wurden im Flugzeug transportiert, es gab Turbulenzen und die Diebe mussten mehrere Tiere abwerfen. Dieses Bild war für uns so abstrus, dass wir es als Ausgangsszene verwendet haben.
Sie haben also die fliegende Kuh als Anlass benutzt, um über Freiheitssehnsucht und Demokratiebewegungen in der arabischen und westlichen Welt nachzudenken?
Ja. Wobei wir bei der Freiheitsfrage auch sehr von dem genannten Buch ausgegangen sind, weniger von der Zeitungsmeldung. Unser Schreiben fiel aber genau in die Zeit der revolutionären Aufstände in der arabischen Welt. Das Außen und Innen hat uns dabei sehr beschäftigt: Es gibt durchaus Menschen, die eine Sehnsucht nach dem viel zu gut funktionierenden, alle Störfaktoren ausschließenden System unserer westlichen Welt haben – und gleichzeitig gibt es Menschen innerhalb dieses spätkapitalistischen Systems, die darin gar nicht glücklich sind und die wiederum eine Sehnsucht haben nach einer Welt, in der nicht alles ferngesteuert ist.
Ein Pop-Konzert? Eine Revue? Ein Turnwettbewerb? Oder doch die Uraufführung eines Theaterstücks? „Yellow Line“ ist nicht nur eine Wanderlust-Produktion, sondern auch der abschließende Programmpunkt beim Festival „Theaterformen“ in Braunschweig – und der kroatische Regisseur Ivica Buljan hat seine Inszenierung ganz darin eingebettet: Hier liegt das Augenmerk zunächst einmal auf der Form, Theater auf die Bühne zu bringen.
Schon als die Zuschauer im Kleinen Haus des Staatstheaters Braunschweig freie Plätze suchen, spielen die Schauspieler aus Deutschland und Kroatien ein paar Klangfetzen auf der Gitarre, wiegen sich im Takt, trippeln auf und ab. Hinter ihnen ein großes Gemälde: Zwei Frauen liegen nackt im Gras, um sie herum weidende Kühe. Das Bild versucht einen losen Verweis auf den Inhalt des Stücks, das Juli Zeh und Charlotte Roos für die Kooperation zwischen dem Staatstheater Braunschweig und dem Theater z/k/m in Zagbreb geschrieben haben: Die weidende Kuh ist darin eine Art Sinnbild für das freie Leben, in dem Kühe noch Namen tragen und wo Mensch und Tier sich nicht dem Optimierungszwang und dem Anspruch an maximale Effizienz anpassen.
Der Herdenmanager (TOBIAS BEYER) und seine Assistentin (NINA VIOLIĆ). Foto: Mara Bratos
Doch Zehs und Roos’ Stück hat nichts mit einer nostalgischen Sehnsucht nach heiler, entschleunigter Welt zu tun – es ist viel mehr eine komische, kluge Abrechnung mit dem gefeierten Freiheits- und Demokratiestreben der Menschen. Anders als die Inszenierung erzählt das Stück ohne große formale Spielereien zwei Geschichten, die einander bedingen. Da ist Paul, der im Pauschal-Urlaub mit seiner Freundin Helene begreift, dass die sogenannten „Angebote“ von Animation, Ausflügen und Büffet-Zeiten nur der „Abrichtung und Gehirnwäsche“ dienen. Ihn stören die geschlängelten Wege in den Hotelanlagen, „weil sie nur geschlängelt sind, damit sie nicht gerade sind, aber dadurch sind sie noch viel gerader!“ Die titelgebende „Yellow Line“ ist die in der Sicherheitszone des Flughafens, die Paul trotzig überschreitet, weil das nur „zehn beliebige Quadratmeter auf diesem Planeten sind“ – nur eben etwas weiter nordöstlich. Helene dagegen verdient ihr Geld damit, sich als „Performance “ nackt in einen Käfig einsperren und als lebendes Kunstwerk versteigern zu lassen. Im Fernsehen sieht Paul dann die Kuh Yvonne, eine ungewöhnliche Freiheitskämpferin, die gegen alle Zäune anrennt. In Pauls anschließendem Versuch, wenigstens einem Wesen zur Freiheit zu verhelfen, verschränkt sich die zweite Geschichte des Stücks: Auf dem offenen Meer schlägt eine vom Himmel fallende Kuh in ein Fischerboot eines Arabers ein – und Frontex kassiert den unschuldigen Mann als illegalen Flüchtling.
Seit zwei fast Jahren arbeiten wir nun schon zusammen.
Ausgangspunkt unserer Kooperation mit dem Theater Z/K/M/ aus Zagreb sind die Flugpioniere David Schwarz, ein jüdischer Holzhändler und Erfinder aus Zagreb, sowie Ferdinand Graf von Zeppelin, Flugpionier aus Deutschland und „Ahnherr“ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig.
Nach Gastspielen und Workshops in Zagreb und Braunschweig, nach vielstündigen Besuchen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt sowie nach Recherchen im Zeppelin Museum und im Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH in Friedrichshafen, nach gemeinsamen Theaterbesuchen, Feiern und vielen vielen Gesprächen mit unserem kroatischen Partnertheater startet nun die mit Spannung erwartete heiße Phase.
Das deutsche Autorinnenteam Juli Zeh/Charlotte Roos hat seine Fassung des Auftragswerks vorgelegt, und ebenso fertig ist nun das Auftragswerk der kroatischen Autorin Ivana Sajko. Beide Stücke tragen englische Titel, ein Zufall, auf den beide Theater keinerlei Einfluss hatten. Nun laufen die Vorbereitungen für den Probenbeginn auf Hochtouren. »Landscape with the fall« von Ivana Sajko wird von der Braunschweiger Hausregisseurin Daniela Löffner inszeniert, »Yellow Line« von Juli Zeh/Charlotte Ross von dem kroatischen Regisseur Ivica Buljan.
Probenbeginn in Zagreb: 10.04. – Premiere: 10.06.
Probenbeginn in Braunschweig: 16.04. – Premiere: 01.06.
Beide Stücke mit kroatischen und deutschen Schauspielern werden im Rahmen des internationalen Festivals Theaterformen 2012 in Braunschweig uraufgeführt und danach in Zagreb gezeigt werden.
There are differenct ideas of what a classical topic might be. Film still from "Romeo and Juliet" by Baz Luhrmann, 2006.
In our first spotlight in August 2010, Petra Kohse reported on multilingualism on stage and examined how theatres chose to convey it. In this next spotlight, I’d like to look at what exactly is being conveyed (or not) in those surtitles, subtitles, paraphrases and simultaneous translations. Which topics of mutual interest have the theatres in the Wanderlust Fund chosen for their co-productions? Are the themes global or rather local in scope? Does their intercultural experience, which they’ve gained behind the scenes, also “play a role” on stage? Do they revert to classical pieces as a foil to examine cultural differences? Do they commission playwrights or do they, the actors, dramaturges and directors, develop their own material from research and improvisation? Which forms are over- or underrepresented in comparison to the theatres’ regular programmes?