Unser Partnertheater “La Baracca” lädt jedes Jahr am 1. Mai Jugendliche aus Spielclubs ein, eine Performance gemeinsam in 3 Tagen zu erarbeiten und im Parco delle Mondine in Medicina (25 km von Bologna entfernt) aufzuführen. 2011 waren unter den 60 Jugendlichen auch 5 aus dem Spielclub 3 des Jungen Ensemble Stuttgart. Thema der Performance war Sport und Moral: “Che vinca il migliore! .. Ció, speremo de no!” (“Möge der Bessere gewinnen! … Ich hoffe nicht!”) Hier ein paar Eindrücke dieser Theaterreise:

“Als ich nach Italien fuhr, konnte ich kein bisschen Italienisch. Jedoch konnte ich stolz vorweisen, dass ich den Propaganda-Song des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi gelernt hatte. Als ich in Italien ankam, informierte ich mich schnell über die politische Stimmung in Bologna. Sie war definitiv nicht Pro-Berlusconi. In den nächsten 2 Tagen stimmte ich gelegentlich das Lied an, konnte aber an den überraschten Blicken der anderen Jugendlichen erkennen, dass dies wohl nicht ihr Musikgeschmack war. Am letzten abend in Medicina, dem Ort wo das Theaterfestival stattfand, saß ich draußen mit einer Gruppe aus Bergamo. Um uns herum saßen viele erwachsene Leute, die ich noch nie gesehen hatte. Wir sangen gemeinsam mit der Gruppe aus Bergamo diverse Lieder von Oldies bis zu aktueller Musik. Das italienische Bier flüsterte mir zu, dass nun der Moment gekommen war, das Lied, dass ich gelernt hatte, anzustimmen. Plötzlich wurden die Stimmen um mich herum leiser, ich drehte mich um und ein paar Leute blickten überrascht herüber. Die Blicke sagten mir alles. Schnell redete ich auf Englisch weiter, laut genug sodass jeder hören konnte, dass ich nicht von hier bin. Dieser Moment zeigte mir, dass ich das nächste Mal besser etwas von Eros Rammazotti lernen werde.” Lee Kensok

“Insgesamt gab es viele Sachen im Theater in Italien, die sich von unseren Gewohnheiten in Deutschland unterschieden. Vor allem die Toi, toi, toi – Wünsche werde ich nie vergessen. Alle stehen im Kreis. Mit der einen Hand greift man dem Nebenstehenden an den Arsch und ruft dreimal „Mierde!“. Dann rennen alle durch den Raum und berühren die Ärsche der anderen Mitspieler. Und dann kann die Aufführung beginnen…” Lea Sherin Kübler

“‘Toi toi toi’ über die linke Schulter – so waren wir das Glückwünschen vor Aufführungen gewohnt. Nicht so in Italien. Verständlicherweise waren wir ziemlich erstaunt, als wir ein paar Minuten vor unserer mit den Italienern entwickelten Aufführung im Kreis standen und uns unsere Nebenmänner links und rechts jeder an unseren Allerwertesten fasten. Auf diese Weise im Kreis stehend sind wir (die Hände weiterhin auf ihrer Position) drei Mal in die Luft gesprungen und haben “merda” (“Scheiße”) gerufen. Daraufhin sind alle kreuz und quer durch den Raum gelaufen, haben Kläpse auf fremde vier Buchstaben verteilt und jedes Mal “merda” gerufen. Das war definitiv mal eine andere Art des Glückwünschens.” Wanda Koller

“Unsere Tage in Italien waren durchaus lustig. Die Italiener hatten die Angewohnheit, beim Theater alle eine Person zu spielen. Das war am Anfang etwas verwirrend, ich fand es dann aber doch irgendwie gut. Es sah super aus, weil jeder, der gespielt hat, doch einen eigenen Weg gefunden hat, die jeweilige Rolle zu verkörpern. Ich habe aber zunächst unser Theaterstück nicht so ernst genommen. Alles war auf Italienisch, manche Italiener konnten nicht mal Englisch, und ständig haben wir einen Übersetzer gebraucht. Wir mussten italienische Sätze sagen. Fiel mir erst schwer, dann hatten wir es aber irgendwann voll drauf. Allerdings wusste ich ziemlich selten, wie ich mich in den jeweiligen Szenen zu fühlen hatte. Ich glaube, die Italiener hielten uns insgesamt für ziemlich komisch, aber irgendwie doch cool und fanden uns interessant. Wir fanden uns selbst auch unglaublich cool, waren die ganze Zeit damit beschäftigt deutsche Wörter herumzuschreien, in Einkaufswägen durch die Turnhalle zu fahren und so weiter. Dabei hatten wir ziemlich viel Spaß. Irgendwann haben die Italiener versucht uns nachzumachen und sind schreiend durch die Turnhalle gerannt, wir waren trotzdem besser, denn denen war es irgendwann peinlich und sie haben aufgehört. Ich fand es nett, mich mit den Italienern zu unterhalten, die waren echt cool drauf, einer hat uns einen italienischen Zungenbrecher beigebracht, den ich jetzt immer noch kann. Der Tag der Aufführung war am besten, da hat das Spielen richtig Spaß gemacht und da hab ich es auch ernst genommen. Die Tage sind schnell vorbeigegangen, die Zugfahrt zurück dagegen nicht so. Es war auf jeden Fall schön, dort gewesen zu sein und wenn ich die Möglichkeit habe, nächstes Jahr wieder beim Cantamaggio mitzumachen, werde ich das tun.” Mareike Schmid

“‘70 Jugendliche, die alle nur Italienisch sprechen? 5 Nächte in einer überfüllten Turnhalle? Voraussichtlich schlechtes Wetter? Um 4 Uhr morgens aufstehen, um den Zug zu kriegen? Na, danke!’ so oder so ähnlich lauteten wohl meine Worte, als mich mein bester Freund einen Tag vor unserer Abreise fragte, ob ich mich denn gar nicht auf die bevorstehende Italienreise mit meinem Spielclub freuen würde…Als ich fünf Tage später mit einem fetten Sonnenbrand und völlig übermüdet, jedoch mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen das Klassenzimmer betrat, war das Einzige, was ich auf seinen fragenden Blick hin entgegnete: „Es war genial!“ Und das war es wirklich. Zugegeben, das Wetter hat nicht immer so ganz mitgespielt, bei der Schlammschlacht am letzten Tag knallte allerdings die Sonne vom Himmel um uns den Abschied nach ein paar wahnsinnig geilen, aufregenden und energiegeladenen Tagen noch schwerer zu machen. Abgesehen davon, dass wir für die meisten von ihnen die „fucking crazy German guys“ waren, haben wir uns nicht nur untereinander sondern auch mit den Südländern blendend verstanden (erstaunlicherweise auch auf sprachlicher Ebene, das Vorurteil: „Die Itaker können doch eh kein Deutsch!“ hat sich nämlich nicht bestätigt). Neben jener Leidenschaft, dem Theater, die uns allen gemeinsam ist, haben uns auch diverse andere oft völlig sinnfreie, aber dennoch unglaublich witzige Aktionen zusammengeschweißt…um nur einige zu nennen seien hier der ununterbrochene Gesang, das Rugbyspielen, das Einkaufswagenracing in der Sporthalle, so wie der Bauchtanz erwähnt. Und wenn mich jetzt im verspießten Deutschland jemand blöd wegen der nur schwerlich abzugewöhnenden Gossensprache anmacht, dann täckel ich die Schlampe einfach um!” Donna Doerbeck

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