Lothar Kittsteins mysteriöser Psychothriller „Die Geister von Amnas“ im Theater Oberhausen

Drei Zimmer, mit Türen verbunden. Sie sind leer, weiße Umrisse an den schmuddeligen Wänden lassen ahnen, wo Möbel gestanden und Bilder gehangen haben. Kein Weg führt nach draußen, die Menschen verschwinden nur manchmal im Inneren eines anscheinend labyrinthischen Komplexes. Eine surreale, schäbige, bedrohliche Welt hat Ausstatterin Dorothee Curio für Lothar Kittsteins Stück „Die Geister von Amnas“ entworfen. Die Uraufführung ist eins der Projekte im Rahmen der Wanderlust-Partnerschaft mit dem Nationaltheater Radu Stanca in Sibiu.

"Die Geister von Amnas", Esther Hausmann (Kristina, Maria), Angela Falkenhan (Die junge Kristina, Die junge Maria), Hartmut Stanke (Hans), Foto: Birgit Hupfeld

Kittstein und das Regieteam um Bernhard Mikeska sind einige Wochen ins rumänische Siebenbürgen gereist. Ihr Interesse galt nicht in erster Linie dem ehemaligen Hermannstadt, sondern den kleinen Dörfern ringsum. Eins davon heißt Amnas, wurde lange von Siebenbürger Sachsen bewohnt, doch nach der Revolution zogen viele fort, und nur die Alten blieben. Die Häuser verfielen, es gab keine Polizei, das Dorf wurde zum rechtsfreien Raum. Einmal die Woche kommt ein Wagen und verkauft Milch und Lebensmittel. Heute leben mehr Roma als Deutschstämmige in Amnas. Lothar Kittstein hat Gespräche geführt, die Begegnungen auf sich wirken lassen. Auf den ersten Blick sind die Interviews im Stück nicht erkennbar, es ist kein Dokumentartheater geworden, sondern ein gestalteter Text. Nur manchmal wundert man sich über seltsame Brüche. Da flucht ein Mann plötzlich ständig mit amerikanischen Four-Letter-Words. Da geistert einer der Interviewpartner ins Stück, der so gesprochen hat.
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Im August 2010 war Regisseur Bernhard Mikeska mit Dramaturgin Hannah Schwegler, Bühnenbildnerin Dorothee Curio und Autor Lothar Kittstein in Sibiu. Lothar Kittstein schrieb den folgenden Text:

Johann, der nur mit Badehose bekleidet, im kanalisierten Dorfbach steht und eimerweise Wasser auf die staubige Dorfstraße vor seinem Haus schüttet.

Hans, der im Wohnwagen am Fuß des Burgbergs haust, fünf Katzen, Meerschweinchen, einen Hund, Ziegen und eine Kuh sein eigen nennt und trotz kaputter Hüfte täglich quer durchs Dorf auf einen Berg zu seinem Feld geht.

Brennend-saurer Wein aus Plastikflaschen.

Die alte Frau Teutsch, ihre Augen groß hinter den dicken Brillengläsern, als ob sie ständig darüber staunte, noch hier zu sein – Jahrzehnte nach ihrer Deportation ins russische Kohlebergwerk. Ihre knotigen, verkrümmten Hände, mit denen sie in ihrer niedrigen Küche Birnen schält.

Die Dörfer, wehrhaft gegen die eigenen Hauptstraßen abgeschottet, die Häuser dicht an dicht, aneinandergedrängt, kein Vorgarten, kein Bürgersteig. Schweigende Fassaden in der Mittagshitze.
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