Lothar Kittsteins mysteriöser Psychothriller „Die Geister von Amnas“ im Theater Oberhausen

Drei Zimmer, mit Türen verbunden. Sie sind leer, weiße Umrisse an den schmuddeligen Wänden lassen ahnen, wo Möbel gestanden und Bilder gehangen haben. Kein Weg führt nach draußen, die Menschen verschwinden nur manchmal im Inneren eines anscheinend labyrinthischen Komplexes. Eine surreale, schäbige, bedrohliche Welt hat Ausstatterin Dorothee Curio für Lothar Kittsteins Stück „Die Geister von Amnas“ entworfen. Die Uraufführung ist eins der Projekte im Rahmen der Wanderlust-Partnerschaft mit dem Nationaltheater Radu Stanca in Sibiu.

"Die Geister von Amnas", Esther Hausmann (Kristina, Maria), Angela Falkenhan (Die junge Kristina, Die junge Maria), Hartmut Stanke (Hans), Foto: Birgit Hupfeld

Kittstein und das Regieteam um Bernhard Mikeska sind einige Wochen ins rumänische Siebenbürgen gereist. Ihr Interesse galt nicht in erster Linie dem ehemaligen Hermannstadt, sondern den kleinen Dörfern ringsum. Eins davon heißt Amnas, wurde lange von Siebenbürger Sachsen bewohnt, doch nach der Revolution zogen viele fort, und nur die Alten blieben. Die Häuser verfielen, es gab keine Polizei, das Dorf wurde zum rechtsfreien Raum. Einmal die Woche kommt ein Wagen und verkauft Milch und Lebensmittel. Heute leben mehr Roma als Deutschstämmige in Amnas. Lothar Kittstein hat Gespräche geführt, die Begegnungen auf sich wirken lassen. Auf den ersten Blick sind die Interviews im Stück nicht erkennbar, es ist kein Dokumentartheater geworden, sondern ein gestalteter Text. Nur manchmal wundert man sich über seltsame Brüche. Da flucht ein Mann plötzlich ständig mit amerikanischen Four-Letter-Words. Da geistert einer der Interviewpartner ins Stück, der so gesprochen hat.

"Die Geister von Amnas", Angela Falkenhan (Die junge Kristina, Die junge Maria), Foto: Birgit Hupfeld

Die Zuschauer haben Kopfhörer auf den Ohren. Sie hören Lärm, Geräusche, ein junges Paar sitzt bewegungslos in einem der Zimmer. Ein unsichtbarer Mann keucht , flüstert von Schmerzen in der Brust, von einer Frau, die ihm hilft. Das Paar auf der Bühne streitet sich. Er will raus ins Getümmel, wittert die Freiheit. Sie hat Angst, will ihn zurück halten, aber er geht doch. Es ist das Jahr 1989, Ceaucescu stürzt und mit ihm die kommunistische Diktatur. Viele Jahre später betritt ein älterer Mann die Szene. Er ist es, dessen Stimme wir zu Beginn gehört haben. In Deutschland hat er ein Schlachthaus geführt und viel Geld verdient. Aber es zieht ihn zurück nach Amnas, in die Armut, in den Dreck. Er weiß nicht warum, hier liegen seine Wurzeln, er muss wieder in der Heimat sein, auch wenn sie ein verrottetes Geisterdorf ist. Und wieder gibt es einen jungen Mann, verkörpert vom gleichen Schauspieler wie zuvor. Er sucht Arbeit, stellt sich beim Rückkehrer vor, doch dann packt ihn die Verachtung vor dem Verräter, der seine Stadt verlassen hat und mit einem dicken Auto zurück gekehrt ist. Doch den Alten packt eine väterliche Rührung, die umschlägt in Gewalt, als der Junge mit der Gattin seines Arbeitgebers in spe knutscht. Der zieht eine Pistole, und eine ebenso absurde wie unheimliche Jagd beginnt. Zwischen den Zimmern gibt es schmale Räume, in denen die Schauspieler verschwinden und an ungeahnten Stellen wieder auftauchen können. Doch irgendwann kommt der Showdown.

Das Spiel der Geister

Lothar Kittsteins Dramen stecken voll subtiler Andeutungen. Es sind rätselhafte Texte, die nie alle Geheimnisse enthüllen und in der Schwebe bleiben. „Die Geister von Amnas“ lassen sich am Schluss auf konventionelle Weise erklären. Vielleicht ist der Junge von 1989 angeschossen worden und an seiner Brustwunde gestorben. Dann wäre das ganze Stück die Fantasie eines Sterbenden, ein Fiebertraum, sprunghaft, unlogisch. Aber das wäre doch eine prosaische Lösung. Mehr Spaß macht es, das Spiel der Geister ernst zu nehmen, nicht alles auflösen zu wollen. Regisseur Bernhard Mikeska setzt einige verwirrende Akzente, um keine Eindeutigkeit aufkommen zu lassen. Die Stimme des Alten zu Beginn lässt sich nicht mit dem Jungen identifzieren, erst später reimt man sich zusammen, dass sie eine Person sein könnten. Manchmal denkt man, die Schauspieler sprechen oder singen direkt ins Mikroport, da schweigen sie plötzlich auf der Bühne, aber ihr Text im Kopfhörer läuft weiter. Es geht nicht um Gewissheiten, sondern um das Rätsel, was Glück ist und was Heimat. Der Mann, der Hans heißt, realisiert seinen Traum und verliert ihn dadurch. Er muss und will aber weiter träumen und sucht die Vergangenheit, sich selbst, seine Herkunft.

Ungläubiges Staunen

Bernhard Mikeska hat schon einmal, in „Rashomon – Truth lies next door“ alle Gewissheiten in Frage gestellt. Da gingen die Zuschauer einzeln durch ein schäbiges Hotel und fanden in jedem Zimmer einen Schauspieler, der ihnen im Zwiegespräch seine Version eines Mordes erzählt. Was nun wirklich geschah, musste sich der Besucher selbst zusammen reimen. Eine ähnliche Anforderung stellt Mikeska auch in seiner Inszenierung der „Geister von Amnas“. Wobei ihn hervor ragende Schauspieler unterstützen. Hartmut Stanke spielt und spricht den alten Hans andeutungsreich, vielschichtig, mit einem ungläubigen Staunen über sich selbst. Esther Hausmann, Angela Falkenhan und Martin Hohner verkörpern verschiedene Rollen ohne Kostümwechsel. Sie sind Wiedergänger, die es zu bestimmten Handlungen zieht als ob sie keinen eigenen Willen hätten. Sie machen mit, gehorchen ihren Impulsen, wie Geister, die sich in fest gefügten Bahnen bewegen. Gerade 70 Minuten dauert dieser Abend, und danach schwirrt der Kopf auf angenehme Weise. Die Bilder, Töne, Gesichter bleiben haften. Diese Geister verlassen einen nicht so schnell.

Die nächsten Vorstellungen: 15., 28. April, 3. Mai, 19.30 Uhr, www.theater-oberhausen.de

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