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28 deutsche Theater aus 22 deutschen Städten sowie ihre 28 Partnertheater aus 20 Ländern weltweit, rund 1.300 Theatermitarbeiter und mehr als 167.000 Zuschauer auf der ganzen Welt konnten in den vergangenen fünf Jahren von dem Fonds Wanderlust profitieren. Und das haben sie: Rund 1.000 Aufführungen wurden im Rahmen des Strukturprogramms gezeigt – von Freiburg bis Schwedt und von Paris bis Bangalore.
Es gab mehrsprachige Koproduktionen, Gastspiele, Performances, Szenische Lesungen, Diskussionsveranstaltungen, Jugendclub-Projekte, Workshops, Filmvorführungen und Ausstellungen. Mal wurden klassische Stoffe auf die Bühne gebracht, mal waren es Stückentwicklungen, Stückaufträge oder Stadtprojekte. Diese Webseite gibt ein beeindruckendes Zeugnis von der Vielzahl von Projekten und Begegnungen sowie ihrer Akteure, von einem Video über die Zugperformance des Maxim Gorki Theaters im Krakow-Berlin-Express bis hin zu einer Tonaufnahme von „Wandrers Nachtlied“, gesungen von zwei russischen Spielern des Akademischen Kisseljow Jugendtheaters aus Saratow in Russland.

Wir haben zahlreiche Wanderlust-Premieren besucht. Auf unseren Reisen zu Theatern in Deutschland und im Ausland konnten wir uns ein Bild machen von der Unterschiedlichkeit und Vielfältigkeit der entstandenen Projekte, die sich alle – mal mehr, mal weniger offensichtlich – dem Thema Interkultur stellten. Wir trafen die beteiligten Künstler, Mitarbeiter und Intendanten und wollten erfahren, wie die Förderung im Fonds Wanderlust im einzelnen in den beteiligten deutschen Theatern gewirkt hat. Hat sich im Laufe ihrer Kooperationen die Haltung von Theaterleitung und Mitarbeitern gegenüber internationalen Projekten verändert? Gab es Strukturveränderungen im Zuge der Kooperation in den Theatern? Hat der Fonds seine Ziele erreicht, konnte er einen kulturpolitischen Impuls setzen?

Die Auswertung zeigt, dass die mehrjährige Förderung bei der großen Mehrheit der Theater unterschiedlichste Veränderungen bewirkt hat: 82% der befragten Projektleiter sprechen von einer „Horizonterweiterung“ an ihrem Haus: größeres Selbstvertrauen und eine stärkere Gelassenheit des Leitungsteams im Hinblick auf internationale Kooperationen, eine größere Offenheit der Mitarbeiter hinsichtlich der neuen Ausrichtung eines Theaters und eine höhere Bereitschaft zur damit verbundenen Mehrarbeit wurden als Folge der Förderung beschrieben. Darüber hinaus konnte der Fonds Impulse in verschiedenen Bereichen der Theater wie Spielplangestaltung (wie beispielsweise beim Theater Konstanz), Gastspieltätigkeit (Puppentheater Halle), Raumnutzung (Theater Freiburg) oder Marketing (Theater Heidelberg) setzen.

Über die oben genannten Veränderungen hinaus hat der Fonds Wanderlust bei 32% der Theater dazu geführt, dass sie Strukturveränderungen an ihrem Haus vorgenommen haben, um in Zukunft häufiger und besser international arbeiten zu können. Diese bestehen zum Großteil in neuen Personalstellen (vor allem im Bereich Produktionsleitung) und flexibleren Produktionsformen. Weitere 36% der geförderten Theater geben an, dass Strukturveränderungen an ihrem Haus bereits im Vorfeld ihrer Wanderlust-Kooperationen stattgefunden haben. Die Zahlen zeigen, dass das Strukturprogramm eine beginnende Entwicklung innerhalb der Stadttheater-Szene aufgenommen und deutlich verstärkt hat.

Es ist sehr erfreulich, dass 79% der Theater die Zusammenarbeit mit ihren Partnertheatern als sehr intensiv wahrgenommen haben und dass sie mit dem künstlerischen Ergebnis zufrieden sind. Der Fonds Wanderlust als Förder-Instrument wird von den Theatermachern, die das Programm mit einem Wert von 9,3 (von 10 erreichbaren Punkten) beurteilen, und von den Jurymitgliedern und Journalisten, die vor allem Förderdauer und Fördersumme als angemessen hervorheben, sehr positiv beurteilt. Als kulturpolitisch interessant bezeichnen diese unter anderem die Vielzahl von Künstlern und Theatermachern aus dem Ausland, die jenseits der bekannten internationalen Festivals nach Deutschland gekommen sind und ihre Arbeit zeigen konnten. Besonders hervorgehoben wurden auch die vier deutsch-polnischen Kooperationen, die zum einen politisch virulente Themen angepackt und damit zum anderen zahlreiche Zuschauer erreicht haben, die sonst eher selten ins Theater gehen.

Doch wie geht es weiter, wenn der Fonds Wanderlust am 31. Dezember 2012 ausläuft? Endet damit auch das internationale Engagement der deutschen Stadttheater? Nein, sagen 61% der Theater. Sie planen oder realisieren bereits internationale Folgeprojekte. Den Großteil von ihnen treibt die Neugier in andere Länder, zu anderen künstlerischen Partnern. 41% davon bleiben aber ihrem Partner aus dem Wanderlust-Programm treu. Manche von ihnen nehmen auch noch einen dritten oder vierten Partner hinzu und wagen multilaterale Projekte. Das Schnawwl Mannheim beispielsweise arbeitet in der kommenden Spielzeit in einem gemeinsamen Projekt mit ihrem Wanderlust-Partner aus Indien sowie mit einem ägyptischen und brasilianischen Theater zusammen.

Die Kulturstiftung des Bundes bedankt sich ganz herzlich bei allen Theatern, die den Fonds Wanderlust so vielseitig und produktiv gestaltet haben und uns vertrauensvoll von ihren Erfahrungen berichtet haben. Der Dank gilt auch den Jurymitgliedern und Pfadfindern für ihre Auskünfte. Die Journalisten und Filmemacher Barbara Behrendt, Stefan Keim, Petra Kohse, Hagen Mikulas, projector23 und Tobi Müller haben sich für den Fonds Wanderlust immer wieder auf die Reise gemacht, um wertvolle Begegnungen und sinnliche Theater-Momente aus den 28 Theaterpartnerschaften festzuhalten und auf diese Weise – gemeinsam mit den bloggenden Theatermachern und Künstlern – eine lebendige Dokumentation des Fonds Wanderlust geschaffen haben.

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