23.12
>5.00 Uhr. Ich zwinge mich zu ein paar Übungen, kein Kaffee, kurz packen und los. Zu Fuss suche ich das Hotel von Siggi, Angelika und Marcus. Jetzt gegen sechs schläft die Stadt noch, einzelne Frauen kehren mit ihrem kurzen Besen die staubigen Strassen, das sieht so scheisse mühsam aus. Ich verlaufe mich, da bei Tageslicht alles anders aussieht, ohne Verkehr, die ganzen Strassengrills und Cafés fehlen. Mit nur kurzer Verspätung am Hotel, das Taxi wartet, zu siebt sollen wir darin fahren in diesem vollkommen heruntergekommenen alten Renault 19. Angelika kriegt Panik, aber wir kriegen es hin. Der Bus ist pünktlich. Ein Luxusbus – so schnell ändert sich der Anspruch: zerschlissene Sitze, staubig, aber die Klimaanlage funktioniert und jeder hat einen Sitzplatz. 10€ kostet die Fahrt umgerechnet, das ist wirklich eine Menge Geld, wenn jemand an Weihnachten seine Verwandten besuchen will. Die Fahrt dauert 5 Stunden, die Landschaft zieht vorbei. Das ist das Postkarten Afrika mit  Bäumen, Seen, kleinen, unberührt scheinenden Dörfern. Überall diese zum Teil dämlichen französischen Werbetafeln für kalorienreduziertes Bier oder sonstige Lebensnotwendigkeiten. Auch hier wünschen die Banken, die wahren Freunde der Menschheit alles Gute für die Zukunft. Bobo Diolassou (ich schreib es einfach jedesmal anders) ist viel grüner als Ouaga. Wir haben ein wirklich suesses Hostel mit einem Atrium und netter Belegschaft. Schon geht’s los zu Fuss zur Hochzeit. Ich trage das Stativ, Ouelgo telefoniert neben mir, Kontil ist mit einem Moped voraus gefahren und Marcus, Siggi und Angelika schleppen die anderen Sachen. Das Rathaus ist ein sozialistischer Zweckbau, vor dem sich schon eine Menge Leute versammelt haben. Eine Griot, eine traditionelle singende Erzählerin gibt ihr Bestes von mir ein paar Francs zu bekommen. Wir werden reingelassen, die Hochzeitsgesellschaft hat sich schon versammelt, 200 Leute schätze ich. Ich draengle mich nach vorne neben die Brautjungfern, Marcus besorgt was zu trinken, es dauert bis die Doppelhochzeit losgeht. Die Isländer filmen. Sie sind wie ausgewechselt, extrem schnell und praezise handhaben sie ihr Equipment. Ich bin beeindruckt. Eine Frau leitet die Zeremonie, die ganz nach französischem Vorbild aufgezogen ist. Es gibt einen Riesenlacher wenn sie sagt, dass Männer und Frauen in der Ehe gleichberechtigt sind und der Mann auch den Abwasch besorgen soll. Ein Trommler schreit immer wieder dazwischen, die muslimischen würdig und stoisch dreinblickenden Chefs reagieren nur selten. Immer wieder wird Musik eingespielt vom Band.

Da wir noch nichts gegessen haben, es ist mittlerweile 16.00 Uhr, erfinden Ouelgo und ich ein Lied dazu, das sich mit unserem Hunger beschäftigt. Die Leute haben Freude an uns. Oui,je le veux, endlich haben beide Paare die Formel gesprochen und Natascha Kutscher aus Muenchen ist nun auch hier unter der Haube. Wir fahren mit einem grossen Allrad durch die Stadt zum Elternhaus und ich winke gnädig dem draussen versammelten Volk zu, das begeistert zurueck winkt. Im Elternhaus auf der Veranda dürfen wieder nur die Brautleute essen, langsam wird es eng und wir singen wieder unser Hungerlied zum Befremden der Einheimischen. Auf einmal sind alle weg und wir stehen mit dem Volk auf einer staubigen Strasse. Was jetzt? Wir setzen uns hin, ich esse ein paar StueckchenSuesskartoffeln die auf einem Holzfeuer frittiert werden und versuche ein Bier aufzutreiben bis das von Kontil georderte Taxi kommt. Siggi und Angelika arbeiten noch immer hochkonzentriert, filmen den Staub der Strasse mit dem unglaublichen Licht und die Kinder, die sich um uns scharen. Unser Lift schiesst  mit einem wirklich unangemessen hohen Tempo zum Hochzeitsrestaurant, wo ein Animateur für gute Laune sorgt. Ich habe genug, ich mag keine Hochzeiten. Mit Ouelgo und Marcus trabe ich los, endlich was zu essen. Mouton oder Poulet? Ich plädiere für Mouton, bald finden wir einen Strassengrill, der sagenhaftes Lamm anbietet, wir essen, trinken Bier, Siggi und Angelika und Kontil kommen dazu, wir sprechen über die Liebe, frühes Heiraten, Sex, Beschneidung – über die Themen der Produktion. Ein voller, praller Tag und morgen ist Heiligabend…..

Tags:

0 Comments

leave a comment

You must be logged in to post a comment.