17.07.         von Bernhard Stengele

Sonntag.

Ich arbeite am Text, an der Verteilung der Rollen. Für die Kollegen aus Burkina möchte ich morgen so viel sagen können, dass sie beginnen können auswendig zu lernen. Teile sollen improvisiert bleiben, andere festgelegt.

Manchmal überwältigen mich Zweifel, ob das wirklich ein Stück wird, ob wir klarkommen. Diese Zweifel sind bei überprüften Stücken oder konventioneller Dramaturgie natürlich geringer. Aschearbeit nennt das der amerikanische Psychologe und Schriftsteller Robert Bly. Diese Momente des Zweifels sind am Ende wahrscheinlich kostbar, in dem Moment aber schwer erträglich.

Das Wetter ist sehr schön, sehr warm. Mein Hotel hat einen kleinen Swimmimg Pool. Ich bin selbst erstaunt, denn es ist nicht teuer. Ich geh nicht rein, ich trinke auf der Terrasse Kaffee. Es gibt hier viele Pflanzen, das sieht sehr schön aus. Merkwürdige Welt. Durch die Malariamosquitos ist alles anders. Es gibt nicht so viele Stechtierchen wie am Main oder am Bodensee oder an Binnengewässern in Deutschland, bei weitem nicht. Die Stiche tun hier auch nicht so weh wie bei uns und nicht so lange, sie sind aber viel gefährlicher. Also ist ein Hotel mit Swimming Pool und Pflanzen gar nicht so attraktiv, jedenfalls nicht in der Regenzeit. Ich wandere los, um mir was zu essen zu besorgen, finde aber nichts. Es ist wirklich  heiß, dennoch gehe ich gerne durch die Sonne, die Stadt ist am Sonntag viel ruhiger. Ein Muezzin ruft. Merkwürdig am Sonntag , ich dachte am Freitag? Langsam gehe ich zurück zum Hotel, ich bin immer noch der einzige Gast und  esse einen überteuerten Salat. Ich versuche zu schreiben, zu arbeiten. Abends will ich in das Bistro von Rachelle. La Coulisse acte 3 ist ein Bretterverschlag, den Rachelle als drittes Standbein eröffnet hat, wo man Reis mit Sauce kriegt oder sogenannten fetten Reis oder Suppe. Eine Mahlzeit kostet 80 cent. Manchmal gibt es richtigen Kaffee, meistens Nescafe, wie überall. In ganz Afrika gibt es keinen Kaffee oder auch keine Schokolade, alles geht in den Export, die Bevölkerung verdient so gut wie nichts dran und trinkt dann Nescafe….

Als ich losfahre zum Bistro ist es dunkel. Ich finde, warum weiß ich nicht, den Weg nicht. Ich kurve verzweifelt und wütend herum. Ich bin fassungslos. Rufe Rachelle an, Gott sei Dank geht das Telefon. Sie versucht mir den Weg zu erklären, ich verstehe sie nicht, nicht dieses Französisch, nicht die Anhaltspunkte, ich bin ungeduldig und fahre einfach weiter. Irgendwann taucht mein Hotel wieder auf, als ob mein Moped ein Pferd wäre, das den Weg kennt. Ich stelle den Motor ab und warte unbeweglich und erloschen bis Rachelle kommt und mich holt. Der Weg ist wirklich ganz einfach. Zweimal abbiegen, das wars. 15 Minuten Fahrzeit. Ich setz mich bei ihr an die staubige Strasse, es sind ein paar Gäste da, eine ältere, weiße Dame und ein älterer schwarzer Herr, ein paar Jugendliche. Ich will nicht reden, kriege einen Teller mit Gurkensalat und Ziebeln, dazu Wasser aus kleinen Plastikbeuteln (ich trinke nicht das Wasser aus dem Hahn, da bleib ich konsequent). Ich schaue den vorbeistaubenden Mopeds und Autos nach. Es ist ein eigentümliches Licht, ein merkwürdiges, dunkles Orange von ein paar gelblichen, dunklen Strassenlampen, die sich mit dem roten Staub der Strasse paaren, wie andauernde Abendsonne.

Mir ist eigentümlich wohl. Ich weiß, gleich krieg ich Reis und ein Bier. Warum macht mich das so zufrieden? sophie

Das Essen ist okay, aber es ist nicht toll. Die Strasse ist staubig, die Tische wackelig. Ist es, weil es einfach so ist, ich nichts zu Essen bestellen kann, weil es eh nichts gibt? (Natürlich kann man auch in Ouaga alles bekommen was man will, es gibt diese Restaurants.) Irgendwie fühl ich mich entlastet. Ich halte wieder inne, Geschichten ziehen herauf, nein, nein, nicht sentimental. Sie sind einfach da. Es gibt für einen Moment nichts zu tun. Ist das dieses afrikanische Fieber? Ein Gefühl, das ich als Kind kannte, mit Oma und Opa und 4 Geschwistern und Schreinergesellen, die bei uns am Tisch mitgegessen haben? Ich weiß, das sind Projektionen, aber wenn man es weiß, darf man sich ihnen auch mal überlassen, um zu sehen, wohin das führt. Mein Unternehmervater, nie angepasst, immer eine eigene Meinung. Rachelle stellt mir wortlos den Reis hin und das Bier. Eine 13-jährige Sophie reicht mir das Wasser zum Händewaschen und Rachelle erklärt, dass sie sich jetzt darum kümmert, dass Sophie, die kleine Schwester ihrer Schwägerin, zur Schule gehen kann, mit 13, weil das Bistro direkt gegenüber einer Schule liegt und es jetzt einfach ist, sie hinzuschicken. Sophie spricht nicht mit mir, sie scheint auch müde, ab und zu lacht sie. Ich habe schon ein Bild von ihr gemacht, ein paar Tage davor.

Ein riesiger, ausgebauter Nissan SUV hält staubend an. Was für ein Schlitten! Ein kleiner, dicker Mann, offensichtlich ein Freund von Rachelle steigt aus, setzt sich zu mir, wir reden ein wenig, er nennt mich Bruder und ißt Reis mit einer gekochten Hühnerkeule und fährt bald wieder. Er verdient Geld, sagt Rachelle, aber er ißt gerne bei mir.

Wir reden ein wenig, ich werde müde und fahre bald heim. Ich fahre langsam durch eine immer noch belebte, heute mal wieder staubige Stadt. Es hat heute nicht geregnet.

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