Bericht aus einer Probenpause von “Waldlinge”

von Matthias Grön, Dramaturg

Hier sitze ich nun im Aufenthaltsraum der Kopergietery. Zwischen zwei Probenräume und einer gut ausgestatteten Küche gequetscht, schlägt hier das Herz des Theaters. Alle paar Minuten fliegt die Tür auf und bekannte oder weniger bekannte Gesichter strömen hinein und hinaus. Holen sich einen Kaffee, der auf wunderbare Weise immer frisch bereit steht, schmieren sich eine Stulle oder bedienen sich an den Obstkörben, die einladend herumstehen. An einem langen Tisch, der den schmalen Raum fast vollständig einnimmt, sitzen ein paar Jugendliche, die auf ihren Kurs in den Ateliers der Kopergietery warten. Daneben diskutieren Jeroen und Sebastian, die beiden Veranstaltungstechniker, das Lichtkonzept für unsere Koproduktion “Waldlinge“. Nebenbei wird schnell ein finanzielles Problem mit Nele gelöst, der Geschäftsführerin, die eben aus ihrem Büro herunter gelaufen kommt. Nur einen Platz weiter stecken Cindy, die Programmerin, Johan, der künstlerischer Leiter und Eva Bal, die Grand Dame des Hauses, die Köpfe zusammen und tauschen sich kichernd über den gerade erlebten Tryout von “Waldlinge” aus. Trotz des Trubels herrscht eine entspannte und gemütliche Atmosphäre. An der Längsseite des Raumes befindet sich eine Anrichte, wie man sie eher in einer bürgerlichen Küche des neunzehnten Jahrhunderts vermutet hätte. Darin Geschirr und Silberbesteck für mindestens 30 Personen. Darüber sind aktuelle Zeitungsberichte aus aller Welt an die Wand gepinnt, die geradezu hymnisch über die Produktionen der Kopergietery berichten, welche kürzlich auf irgendeinem internationalen Festival zu sehen waren. Auf der gegenüberliegenden Seite, Fotos aus abgespielten Produktionen, einer Mischung aus Hyperrealismus und Magie. Am Kopfende des Raumes steht eine weitere antike Truhe, darüber das bekannte Erkennungsbild der Kopergietery, eines Mädchen, mit Blumenreif im Haar, das verträumt melancholisch an ihrer Halskette zupft. Sie schaut in den Raum – also auf uns – aber ihr Blick scheint nach innen gerichtet. Worüber sie wohl gerade nachdenkt?

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Die Sonne flirrt. Die Luft ist warm. Es riecht nach Pinien und Thymian. Vom Chateau aus sieht man Toulon und das Mittelmeer. Wir sind für 5 Tage in Chateauvallon, einem Festivalzentrum für Theater und Tanz in Südfrankreich. Hier erfinden und probieren Joёl Pommerat und seine Compagnie Louis Brouillard ihr neues Stück, dessen deutschsprachige Erstaufführung wir mit Puppen aufführen werden.  Auf kreisrunder Bühne wird viel und lange improvisiert. Manchmal spielen acht Schauspieler miteinander. Es fällt auf, wie genau sie ihre Figuren bereits kennen. Joёl schaut lange zu, verändert eine der Grundbedingungen, lässt weiterspielen und schaut wieder zu. Jeweils am nächsten Morgen zieht er sich an den Schreibtisch zurück, am Nachmittag werden die Texte verteilt und auf der Bühne überprüft. Die Geschichte wächst, wuchert in vielen Einzelsträngen, Figuren fordern Rechte ein. Würde man versuchen, Ma chambre froide zum jetzigen Zeitpunkt nachzuerzählen, so erinnerte das Stück eher an einen Roman, den Balzac und Dostojewski gemeinsam schreiben. Üppiger Reichtum! Glückliche Fülle! Schöpfen aus dem Vollen! Unsere Puppenspieler und die französischen Schauspieler stehen gemeinsam auf der Bühne. Babylonische Sprachverwirrung bringt hier Klarheit: Ein Gemisch aus Französisch, Englisch, Deutsch und Spanisch wird zur Sprache auf der Bühne. Untersucht wird, was Puppen und Schauspieler auf der Bühne darstellen können. Wo sind die Stärken? Wo die Schwächen? Welche Wirkungen ergeben sich durch das Zusammenspiel? Nach ein paar Probenstunden ist klar, dass Puppen auch in der französischen Fassung eine Rolle spielen werden. Nun geben die Puppenspieler den französischen Kollegen einen Crash-Kurs im Puppenspiel. Wie bei unseren Zusammenkünften in Halle und Wiesbaden stellen wir fest: Diese beiden Theater haben ein großes Interesse aneinander. Eine Neugier aufeinander. Mit Respekt schaut man dem Partner über die Schulter und stürzt sich ins gemeinsame Spiel!

Skadi Konietzka und Ralf Meyer
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Die Veenfabriek aus den Niederlanden und das Schauspielhaus Bochum probieren gemeinsam “Candide” nach Voltaire

Die Musiker sind fast immer im Einsatz. Nur in ganz wenigen Augenblicken der dreistündigen Aufführung von Voltaires “Candide” herrscht Stille. Fast, denn in der Ruhe hört man ein leises Knacken. Der Schauspieler Jürgen Hartmann öffnet mit den Fingern eine Erdnuss. “Das habe ich mal auf einer Probe gemacht”, erzählt er. Und schon war es Teil des Abends. Jedes Geräusch ist Musik, die Schritte der Schauspieler, ihr Atmen, das Rascheln der Kleidung. Das ist der Arbeitsstil der Veenfabriek aus Leiden. Das niederländische Ensemble hat einen eigenen Stil des Musiktheaters entwickelt. Für die Eröffnungspremiere des Bochumer Schauspielhauses, mit der die Intendanz Anselm Webers am Donnerstag beginnt, arbeiten die Musiker und Schauspieler mit einem Teil des Bochumer Ensembles zusammen.

Joep van der Geest (links) und Jürgen Hartmann als doppelter Candide bei einer Probe im Bochumer Schauspielhaus. Foto: Thomas Aurin

Joep van der Geest (links) und Jürgen Hartmann als doppelter Candide bei einer Probe im Bochumer Schauspielhaus. Foto: Thomas Aurin


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Schauplatz des Theater-Camps #2 unseres Projektes MEIN LAND BILADI ist Dschenin im palästinensischen Westjordanland. Überrascht von der Nachricht, dass das FREEDOM THEATRE bis September 2010 aus dem Flüchtlingslager ausziehen wird und ein neues Theaterhaus (für 400 Zuschauer!) in der angrenzenden Stadt baut, haben wir kurzerhand die Baustelle zur Schaustelle unserer Theaterproduktion gemacht.

Auf den bereits fertigen Fundamenten des neuen Theaters werden die 20 jungen Theatermacher aus Leipzig und Dschenin gemeinsam ihre neue Performance entwickeln, die dem Rhythmus der Kulturen nachspüren soll. In kleinen Teams werden die Jugendlichen durch das Flüchtlingslager und die Stadt streifen, um Material bzw. Themen zu sammeln, auf deren Basis sie ihre Aufführung entwickeln. Und sie werden in diesen drei Arbeitswochen ihren Rhythmus finden müssen, den Rhythmus der anderen hören lernen, in einen quasi musikalischen Dialog treten. Also unser Rhythmus und ihrer, der einer Gruppe gegen den eines Einzelnen. Ihr Sprachrhythmus? Eine Körper-Partitur? Sie ermöglichen vielleicht Bewegungsräume in einem Haus, das es noch gar nicht gibt. Vor allem aber werden unsere 20 Jugendlichen die ersten sein, die im neuen „Theater“ spielen werden: ohne Mauern, ohne Dach, unüberhörbar!
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Haide ist ein balkanisches Allround-Wort, das von Ljubljana bis zum Bosporus verwendet wird und eigentlich soviel heisst wie: “Auf gehts!”, “Los!”, “Lass uns…!”. In unterschiedlichen Kontexten kann es aber durchaus verschiedene Inhalte transportieren. Da man es auch gebrauchen kann, um zum gemeinsamen Anstoßen aufzufordern, kann man es in Bulgarien eigentlich immer sagen.
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