Gute Freunde hatten uns vorbereitet: Franzosen haben eine Eigenart, die man berücksichtigen sollte. Sie legen wert darauf, dass zu Beginn einer gemeinsamen Arbeit eine flirrende Atmosphäre gestiftet wird! Wir kochten, zogen weiße Tischtücher auf und tafelten auf einer Terrasse, von der aus wir über die halbe Stadt sehen konnten. Nach zwei Stunden wurden unsere Gäste, Joel Pommerat und seine Compagnie Louis Brouillard unruhig. Sie wollten endlich auf die Bühne!

Obwohl der aktuelle Titel unseres Projektes Ma chambre froide / Mein kaltes Zimmer lautet, war die erste Begegnung mit dem französischen Autor und Regisseur Joël Pommerat und drei seiner Schauspieler alles andere als kühl. Unsere erste gemeinsame Workshop-Woche begann.

Wir öffneten den Fundus unserer Puppen!  Pommerat und seinen Spieler gewannen Einblicke in verschiedene Inszenierungen, Puppenarten und Spielweisen. Einige Puppen sind Pommerat besonders ans Herz gewachsen, vor allem die Puppe der Holly Golightly aus „Frühstück bei Tiffany“ – „eine Stradivari!“ – meinte Joel begeistert.

In Frankreich, erzählten unsere Gäste, gäbe es so etwas nicht! Die Puppe kommt Joels Vorliebe entgegen. Sie birgt die Möglichkeit, seiner Theater-Arbeit eine weitere Ebene hinzuzufügen.

Diese erste gemeinsame Workshop-Woche hat uns alle bereichert und inspiriert. Das Feedback der französischen Kollegen ermöglichte uns, einen neuen Blick auf die eigene Arbeit zu gewinnen.

Den Abschluss krönte unser Besuch der Wiesbadener Biennale. Die Compagnie Louis Brouillard war im Rahmen des Festivals „Neue Stücke aus Europa“ mit ihrer aktuellen Produktion „Cercles / Fictions“ eingeladen. Pommerat erzählt hier eine subtile und mysteriöse Geschichte von Menschen im Widerspruch zwischen neuen Normen und alten Traditionen. Figuren, bei denen kalte, emotionslose Kompetenz zählt, treffen auf seelenvolle Penner und Langzeitarbeitslose. Dieser Abend führte all das zusammen, was wir so sehr an der Arbeit von Joel Pommerat als Autor und Regisseur schätzen. Präsente Schauspieler. Ausgeklügeltes Licht. Hohe Konzentration. Literatur. Hier wird Theater gespielt, als sei jeder Abend das Wichtigste von der Welt!

Und im September ist es dann soweit: das Puppentheater erliegt dem Reisefieber und gibt sich seiner Wanderlust hin. In Chateauvallon, einem kleinem Dorf in Südfrankreich, treffen wir auf die gesamte Compagnie Louis Brouillard. In dieser gemeinsamen Woche erhalten Christoph Werner und seine Puppenspieler einen Einblick in die Schreibprozesse Joel Pommerats, in das Theateruniversum der französischen Schauspiel-Kollegen und in ihre einzigartige Ästhetik.  Die gemeinsame Welt von „Ma chambre froide“ ist bereits im Entstehen: in Gesprächen, auf den Proben und vor allem im persönlichen Austausch der Mitwirkenden. Das Wandern ist des Künstlers Lust. Und die Puppen, die werden natürlich ebenfalls reisen…!

Skadi Konietzka und Ralf Meyer

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