Paul Koek inszeniert „Drei Schwestern“ in Bochum als surreales Musikschauspiel

„Er hat alles komponiert.“ Paul Koek spricht über Anton Tschechow. „Jeder Dialog gibt den Szenen davor und danach eine bestimmte Dynamik. Wenn du etwas streichst, änderst du die Partitur.“ Paul Koek hat nicht gestrichen in seiner Inszenierung der „Drei Schwestern“ am Schauspielhaus Bochum. Sondern mit drei Musikerinnen seiner „Veenfabriek“ aus Leiden einen eigenartigen, wunderschönen Theaterabend geschaffen, ein Musikschauspiel.

Ein Haus ohne Vorderwand, vier Etagen hoch. Das Publikum schaut auf Zimmer, in denen nur wenige Möbel stehen. Manche Wände sind tapeziert, andere einfach aus Holz. Tschechows „drei Schwestern“ wohnen mit ihrem Bruder Andrej auf einer Baustelle. Die Musikerinnen geistern durchs Haus, sie unterlegen das Geschehen mit zarten, dissonanten, reibungsvollen Klängen, oft sind es wummernde, pochende, fiepende Geräusche. Bei jeder Inszenierung Paul Koeks gibt es einen konkreten Komponisten als Bezugspunkt, einen „ghost composer“. In diesem Fall ist es Morton Feldman, an dessen Stücke sich eine Cellistin, eine Flötistin und Kokomponistin Teodora Stepancic an den Tasteninstrumenten anlehnen.


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Paul Paul Koek probt Tschechow am Bochumer Schauspielhaus, Foto Diana Küster

Der Raum dampft. 14  Schauspieler haben schon eine Stunde Körpertraining hinter sich. Sie tragen Kostüme, die ans 19. Jahrhundert erinnern, Anzüge, hoch geschlossene Kleider. Es ist heiß, sie sitzen an einem langen Tisch. Die Probe beginnt ruhig. Regisseur Paul Koek hält eine CD in den Händen. Er ist barfuß, trägt eine kurze Hose und ein Fußball-T-Shirt. Wir sollen uns im Raum verteilen, sitzen, stellen, legen und Musik hören. Industrialklänge des holländischen Komponisten Jan Boerman. „Versucht, den Kopf zu leeren“, sagt Paul Koek. „Denkt an nichts oder nur an die Musik.“ Das ist gar nicht so einfach, das Stück dauert fast eine halbe Stunde, und es schleichen sich gleich Bilder in den Kopf. Seltsamerweise denke ich an die Industriedenkmäler des Ruhrgebietes, aber so verschieden werden sie nicht sein von den Inspirationsquellen Jan Boermans. Ich gehe im Geiste nachts durch die Kokerei Zollverein, stehe allein in der Bochumer Jahrhunderthalle. Die Musik hört auf. Alle erheben sich und gehen direkt an die Arbeit. Es wird nicht reflektiert oder diskutiert. Was aus diesem Musikinput entsteht, bleibt jedem selbst überlassen.
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