Einfach haben sie es sich am Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau nicht gemacht: Bei ihrem Wanderlust-Projekt soll nicht nur die hauseigene Tanzcompany eine gemeinsame Inszenierung mit einem Puppentheater entwickeln, nein, die Partnerwahl fiel auch noch auf ein Theater im schlesischen Teil Polens, so dass nun ein schlesisch-deutsches und ein schlesisch-polnisches Haus zusammenarbeiten. Die Ereignisse im Zweiten Weltkrieg, die zum Teil unterschiedlichen Wahrnehmungen davon auf beiden Seiten, die Vertreibung und neue Grenzsetzung – das sind in Görlitz und auch in Polen nach wie vor Themen mit Sprengkraft. „Hier leben noch Menschen“, erzählt Philipp Bormann, Referent des Generalintendanten am Theater Görlitz, „die nicht an der Neiße spazieren gehen wollen, weil sie dann auf der anderen Seite das Haus sehen, in dem sie aufgewachsen sind.“

Allein die Konflikte um den „Bund der Vertriebenen“ und dessen Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ lassen schon erahnen, wie unglücklich verworren hier schmerzhafte Kriegserlebnisse, politische Entscheidungen – und leider auch revisionistisches, national geprägtes, volkstümelndes Denken sind.

Erst einmal zu letzterer Schwierigkeit: Wie geht man als Theater mit diesem Pulverfass um? Und, wichtiger noch, was kann man zur Verständigung beisteuern? Das Görlitzer Theater und das Zdrojowy Teatr Animacji in Jelenia Góra haben sich entschieden, die Probleme Probleme sein zu lassen und sich auf die Gemeinsamkeiten zu konzentrieren. Das mag im ersten Moment ausweichend klingen – so wie Philipp Bormann es erklärt, macht es für mich aber durchaus Sinn: „Man arbeitet sich in dieser Stadt sowieso immer am Thema Schlesien ab – wir wollen das jugendlicher, freundlicher, weniger problembeladen machen, wir möchten den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und aus der gemeinsamen Vergangenheit eine gemeinsame Zukunft machen.“ Die Jugendlichen, sagt Bormann, könnten das Thema bald nicht mehr hören, weil sie es oft nur mit Schwierigkeiten und Schwere verbänden, mit Aufklebern von Adlern auf gelb-weißem Grund einerseits (Symbol der Schlesischen Landsmannschaft) und mit Menschen, die den Trennungsdiskurs endlich beenden wollen, andererseits. Es klingt paradox, aber „Schlesien“, meint Bormann, „ist fast ein Tabubegriff“.

Das, was Görlitz und Jelenia Góra allerdings auf eine ganz unproblematische Weise verbindet, ist der gemeinsame Sagenschatz. Und deshalb, somit wären wir beim Thema, heißt das Projekt „Sagenhafte Spurensuche“. Schlesische Sagen? Da fällt mir nur Rübezahl ein, der launische Berggeist aus dem Riesengebirge.
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