Der kroatische »Klub der jungen Pioniere« war am Wochenende zu Gast in Braunschweig. Im Rahmen des Kooperationsprojektes »Achtung: Pioniere!« zwischen dem Staatstheater Braunschweig und dem Theater z/k/m/ aus Zagreb entstanden neben den zwei Uraufführungen im Schauspiel auch in beiden Städten Jugendklubs zum Thema Fliegen. Die zehn kroatischen Jugendlichen zwischen 15 und 17 Jahren waren bei den Familien des Braunschweiger »Klubs der jungenPioniere« untergebracht.

Neben den Proben und der Aufführung ihres Stückes »Leti, leti«, welches auf den Spiel »Alle … fliegen hoch« basiert, galt es die Stadt zu erkunden, gemeinsam zu grillen und natürlich eine Premierenfeier zu feiern! Jetzt sind alle bereits auf dem Rückflug. Aber schon nächstes Wochenende gibt es eine Wiedersehen, wenn der Braunschweiger »Klub der jungen Pioniere« in Zagreb gastiert. Und nach all der Recherche und dem Arbeiten zum Thema Fliegen,wird dann auch endlich mal geflogen!

Für die internationale Partnerschaft zwischen dem Staatstheater Braunschweig und dem z/k/m Theater in Zagreb haben die Autorinnen Juli Zeh und Charlotte Roos gemeinsam das Stück „Yellow Line“ geschrieben, das am Wochenende in Braunschweig Premiere feierte (hier mein Eindruck von Stück und Inszenierung). Es ist ein kluger, komischer Text über das Freiheits- und Demokratiestreben der westlichen und der arabischen Welt, der mit der Uraufführung seinen Weg über die Bühnen wohl erst begonnen hat. Ungewöhnlich, dass zwei Autorinnen ein Stück verfassen, das so aus einem Guss wirkt – oder ist es gerade der kollektive Schreibprozess, der kritische Blick zweier Dramatikerinnen, der den Text gelingen ließ? Und warum nahmen die Beiden eine fliegende Kuh zum Anlass, um über Freiheitsbewegungen nachzudenken? Ein Gespräch mit Charlotte Roos.

Wie kam es zur Zusammenarbeit zwischen Juli Zeh und Ihnen beim Stückauftrag fürs Staatstheater Braunschweig?

Es war unser Vorschlag, zu zweit zu schreiben. Wir kennen uns gut und hatten schon seit längerer Zeit Lust, etwas zusammen zu machen. Juli wurde vom Theater Braunschweig dann gebeten, ein Stück zu schreiben – wir haben angefragt, ob wir das auch gemeinsam machen dürfen und dem wurde zugestimmt.

Ging das von einem gemeinsamen inhaltlichen Anliegen aus?

Das von Braunschweig vorgegebene Thema von Luftfahrt wurde ja sehr breit gefasst. Als wir versucht haben, uns dem zu nähern, haben wir noch mal deutlich gemerkt, dass wir zu ähnlichen Themen schreiben möchten – und dass wir auch ähnliche Dinge lustig und seltsam finden. Juli hatte zum Glück schon Erfahrung in der Zusammenarbeit mit anderen Autoren, was am Anfang sehr hilfreich war. Wir haben dann wild drauflos gelesen und uns vor allem für das Buch „Schöne neue Kuhstallwelt“ von Bernhard Kathan begeistert. Es geht darin um den Aspekt des Herdenmanagements – daraus entstand die erste Figur: der Herdenmanager. Dann sind wir auf die Zeitungsmeldung von der fliegenden Kuh gestoßen. Das ist natürlich grotesk: Wenn man sich ein Tier vorstellt, das abheben könnte, ist das als letztes eine Kuh. Die Zeitungsmeldung besagte aber tatsächlich, dass im Pazifik ein Fischerboot von einer Kuh getroffen wurde. Die Fischer wurden verhaftet, weil man glaubte, es könnte sich um eine Geheimdienstsache handeln – ganz wie wir das übernommen haben. In der Meldung hing es mit einem Viehdiebstahl zusammen: Die gestohlenen Kühe wurden im Flugzeug transportiert, es gab Turbulenzen und die Diebe mussten mehrere Tiere abwerfen. Dieses Bild war für uns so abstrus, dass wir es als Ausgangsszene verwendet haben.

Sie haben also die fliegende Kuh als Anlass benutzt, um über Freiheitssehnsucht und Demokratiebewegungen in der arabischen und westlichen Welt nachzudenken?

Ja. Wobei wir bei der Freiheitsfrage auch sehr von dem genannten Buch ausgegangen sind, weniger von der Zeitungsmeldung. Unser Schreiben fiel aber genau in die Zeit der revolutionären Aufstände in der arabischen Welt. Das Außen und Innen hat uns dabei sehr beschäftigt: Es gibt durchaus Menschen, die eine Sehnsucht nach dem viel zu gut funktionierenden, alle Störfaktoren ausschließenden System unserer westlichen Welt haben – und gleichzeitig gibt es Menschen innerhalb dieses spätkapitalistischen Systems, die darin gar nicht glücklich sind und die wiederum eine Sehnsucht haben nach einer Welt, in der nicht alles ferngesteuert ist.
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“Landscape With The Fall”

Eine Geburt und eine Gesellschaft im Umbruch – beides ist verbunden mit Schmerz, Angst, Realitätsflucht. Normalität und Katastrophen, Alltag und Revolution versammelt in einem Bild. Das GemäldeLandschaft mit dem Sturz des Ikarus” des flämischen Malers Pieter Bruegel d. Ä. bildet Ausgang und Ende eines Theaterstücks. ”Landscape with the Fall”, der Theatertext der Kroatin Ivana Sajko, ist Grundlage dieser Uraufführung zum Festival der Kulturen in Braunschweig. Szenische Bilder, vorgetragenen Gedanken und Träume sind die Bausteine des Stücks. Auf der Bühne: keine klar erkennbaren, handelnden und sprechende Personen. Statt dessen nutzt Regisseurin Daniela Löffner eimerweise Farben und Papierbahnen und die Körper der Schauspieler als Leinwand.

“Landscape with Fall” ist eine Wanderlust-Produktion, die im Rahmen des Kooperationsprojektes Achtung Pioniere! zwischen dem Staatstheater Braunschweig und dem z|k|m| Zagreb entstand.

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Ein Pop-Konzert? Eine Revue? Ein Turnwettbewerb? Oder doch die Uraufführung eines Theaterstücks? „Yellow Line“ ist nicht nur eine Wanderlust-Produktion, sondern auch der abschließende Programmpunkt beim Festival „Theaterformen“ in Braunschweig – und der kroatische Regisseur Ivica Buljan hat seine Inszenierung ganz darin eingebettet: Hier liegt das Augenmerk zunächst einmal auf der Form, Theater auf die Bühne zu bringen.

Schon als die Zuschauer im Kleinen Haus des Staatstheaters Braunschweig freie Plätze suchen, spielen die Schauspieler aus Deutschland und Kroatien ein paar Klangfetzen auf der Gitarre, wiegen sich im Takt, trippeln auf und ab. Hinter ihnen ein großes Gemälde: Zwei Frauen liegen nackt im Gras, um sie herum weidende Kühe. Das Bild versucht einen losen Verweis auf den Inhalt des Stücks, das Juli Zeh und Charlotte Roos für die Kooperation zwischen dem Staatstheater Braunschweig und dem Theater z/k/m in Zagbreb geschrieben haben: Die weidende Kuh ist darin eine Art Sinnbild für das freie Leben, in dem Kühe noch Namen tragen und wo Mensch und Tier sich nicht dem Optimierungszwang und dem Anspruch an maximale Effizienz anpassen.

Yellow Line: Der Herdenmanager (TOBIAS BEYER) und seine Assistentin (NINA VIOLIĆ)

Der Herdenmanager (TOBIAS BEYER) und seine Assistentin (NINA VIOLIĆ). Foto: Mara Bratos

Doch Zehs und Roos’ Stück hat nichts mit einer nostalgischen Sehnsucht nach heiler, entschleunigter Welt zu tun – es ist viel mehr eine komische, kluge Abrechnung mit dem gefeierten Freiheits- und Demokratiestreben der Menschen. Anders als die Inszenierung erzählt das Stück ohne große formale Spielereien zwei Geschichten, die einander bedingen. Da ist Paul, der im Pauschal-Urlaub mit seiner Freundin Helene begreift, dass die sogenannten „Angebote“ von Animation, Ausflügen und Büffet-Zeiten nur der „Abrichtung und Gehirnwäsche“ dienen. Ihn stören die geschlängelten Wege in den Hotelanlagen, „weil sie nur geschlängelt sind, damit sie nicht gerade sind, aber dadurch sind sie noch viel gerader!“ Die titelgebende „Yellow Line“ ist die in der Sicherheitszone des Flughafens, die Paul trotzig überschreitet, weil das nur „zehn beliebige Quadratmeter auf diesem Planeten sind“ – nur eben etwas weiter nordöstlich. Helene dagegen verdient ihr Geld damit, sich als „Performance “ nackt in einen Käfig einsperren und als lebendes Kunstwerk versteigern zu lassen. Im Fernsehen sieht Paul dann die Kuh Yvonne, eine ungewöhnliche Freiheitskämpferin, die gegen alle Zäune anrennt. In Pauls anschließendem Versuch, wenigstens einem Wesen zur Freiheit zu verhelfen, verschränkt sich die zweite Geschichte des Stücks: Auf dem offenen Meer schlägt eine vom Himmel fallende Kuh in ein Fischerboot eines Arabers ein – und Frontex kassiert den unschuldigen Mann als illegalen Flüchtling.
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»Landscape with the Fall of Icarus« – das Bild von Pieter Brueghel dem Älteren war eine Vorlage für Ivana Sajkos Stück »Landscape with the Fall«, welches heute am Staatstheater Braunschweig Premiere hat.

Regisseurin Daniela Löffner und ihr Schauspielensemble arbeiten sich an dem Bild ab und entwerfen immer neue Bilder. Über das Brueghel Bild sagt die kroatische Autorin Ivana Sajko: »Ich bin auf das Bild aufmerksam geworden, weil in ihm eine Art bittere Ironie liegt. Die Landschaft auf dem Bild scheint ganz ruhig zu sein. Die Menschen darauf gehen ihren alltäglichen Aufgaben nach, das Wetter ist schön und wir können weit bis zum Horizont sehen. Aber im rechten unteren Winkel des Bildes, beinahe unsichtbar, versinkt ein Junge im Wasser. Bitterkeit liegt darin, dass die Welt sich, trotz der Tragödie eines Einzelnen, weiter dreht. Als ich anfing, ›Landscape with the Fall‹ zu schreiben, entschied ich mich den Mythos von Ikarus als einen Anfangspunkt für das Stück zu wählen, wobei der Mythos für mich keine Geschichte über das Fliegen ist, sondern eine Geschichte über Stürzen und Scheitern. Brueghels Bild veranschaulicht genau das – das Scheitern des Individuums konfrontiert mit der Ignoranz der sozialen Landschaft.«

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