Der bulgarische Schauspieler Nikolay Dimitrov probt seit Anfang Februar in Osnabrück. Er übernimmt die Rolle des “Ausländers” Jorgos in Rainer Werner Fassbinders KATZELMACHER in der Regie von Henning Bock. Die Premiere wird am 21.3.2010 im emma-theater in Osnabrück stattfinden.
Gleichzeitig befindet sich der Osnabrücker Schauspieler Laurenz Leky in Russe. Dort inszeniert der junge bulgarische Regisseur Boian Ivanov EINE HEIKLE SACHE DIE SEELE von Dimitré Dinev. Am 6.4.2010 wird in Russe die Premiere stattfinden.Anbei die ersten Eindrücke der beiden Schauspieler:

Laurenz Leky:
“Als ich gegen 23 Uhr durch eine Schiebetuer aus dem Ankunftsbereich des Bukarester Flughafens trete, erkenne ich sofort einen der Bulgaren, die im September bei uns in Osnabrück auf Gastspiel waren. Wie hieß der doch gleich? Und was war der noch mal? Bühnenbildner, Dramaturg, Maskenbildner? Noch ehe ich diese Frage abschließend klären kann, reißt er mich auch schon an sich, drückt mir links und rechts einen herzhaften Kuss auf die Backe und überreicht mir eine mit schwarz-rot-goldenen Schleifen verzierte Blume. Ich könnte jetzt schon vor Rührung heulen und da ich mich ein wenig schäme, dass ich kein Begrüßungsgeschenk dabei habe, will ich die Situation nicht noch peinlicher machen, indem ich zugebe, dass ich seinen Namen vergessen habe. Menschenskinder! Wie heißt der denn noch mal, wir haben doch noch zusammen von seinem Selbstgebrannten getrunken!
Na ja, wahrscheinlich ist genau das der Grund, warum ich an den Abend ansonsten nur bruchstückhafte Erinnerungen habe.
Bruchstückhaft erinnere ich mich jetzt auch an den Bukarester Flughafen, an dem wir auch vor einem Jahr zum Gastspiel in Russe ankamen. Sind wir damals nicht die Treppe da runter gegangen?
Egal – der namenlose Schnapsbrenner und sein bisher recht wortkarger Begleiter verlassen den Flughafen durch eine Glasstür, und sie müssen den Weg ja schließlich kennen. Draußen angekommen stürzt sich eine Meute rumänischer Taxifahrer auf mich, und nur dem beherzten Eingreifen des Wortkargen ist es zu verdanken, dass sie von mir ablassen. Nachdem auch diese Situation gemeistert ist und wir ein paar Meter zwischen uns und die Taxifahrer gebracht haben, verlangsamen meine Begleiter ihre Schritte und ich lese Ratlosigkeit in ihren Gesichtern. Als Ergebnis der folgenden Diskussion zwischen den beiden gehen wir wieder zurück zum Flughafen, schlendern ein Stück an der Glassfassade des Empfangsgebäudes entlang, um schließlich durch eine andere Glasstuer das Gebäude wieder zu betreten. Nachdem wir eine Weile durch die Halle spaziert sind, befinden wir uns exakt an der Stelle, wo mich die beiden in Empfang genommen haben.
Erneute Diskussionen. Schließlich gehen wir tatsächlich die bereits erwähnte Treppe herunter – ha, ich hatte doch Recht! – und müssen ernüchtert feststellen, dass es hier nur zu den Toiletten geht. Also Treppe wieder hinauf und unter erneuten Diskussionen weiter durch die Flughafenhalle. Nachdem wir letztlich eine zweite Treppe hinuntergehen, kommen wir schließlich in ein Parkhaus und finden – nach kurzer Diskussion – auch relativ schnell den Wagen. Nachdem die Pfeile Richtung Ausgang uns letztlich in den zweiten Stock des Parkhauses geleitet haben, entschließt sich Georgi – so heißt der Begleiter des Schnapsbrenners – sein Fahrzeug entgegen der ausgewiesenen Fahrtrichtung zu steuern und tatsächlich – wir kommen zum Ausgang. Und zu zwei Schranken.
Die erste öffnet sich. Wir fahren durch. Die zweite bleibt verschlossen. Georgi hupt. Nichts tut sich. Unnötig zu erwähnen, dass sich die erste Schranke inzwischen geschlossen hat. Wir sitzen fest. Georgi kurbelt das Fenster hinunter und ruft etwas in Richtung der Parkhausaufsichtsbaracke, in der geschätzte 15 Rumänen einem geruhsamen Dienst nachgehen. Nach einer mehrsprachigen Diskussion wird die erste Schranke geöffnet, Georgi setzt zurück, steigt aus, geht zu der Baracke, bezahlt, kommt zurück, und wir können passieren.
Bei der ersten Möglichkeit abzubiegen kommt es wieder zu Diskussionen. Kein Wunder – beide Richtungen zeigen Bukarest Zentrum an. Auch an den folgenden Kreuzungen wird angehalten – was aufgrund des spärlichen Verkehrsaufkommens kein großes Problem darstellt – um die weitere Fahrtroute zu diskutieren. Diese führt uns schließlich – wie sollte es anders sein – ins verkehrsreiche Zentrum von Bukarest, wo die Diskussionen parallel zur immer unübersichtlicheren Beschilderung häufiger und auch die Anteilnahme der anderen Verkehrsteilnehmer an unserem Fahrverhalten heftiger und lauter werden.
Was soll’s – auf diese Weise lerne ich die Sehenswürdigkeiten Bukarests kennen und wir unterhalten uns großartig. Die Kommunikation auf Russisch läuft hervorragend, der Mann ohne Namen hat sich eine Zigarette angezündet und auch Georgi beteiligt sich mittlerweile lebhaft am Gespräch, wenngleich das der Navigation nicht gerade zuträglich zu sein scheint.
Irgendwann passieren wir ein nach rechts weisendes Schild mit der Aufschrift Giurgiu, die Nachbarstadt Russes auf rumänischer Seite, ohne ihm weitere Beachtung zu schenken. Da wir jedoch gerade erst nach dem Weg gefragt haben, sage ich nichts. Als wir am nächsten Kreisverkehr wieder anfangen unsere Runden zu drehen, und Georgi und der Mann, dessen Name mir zwar entfallen, dessen Schnaps mir aber in umso nachhaltigerer Erinnerung geblieben ist, wieder anfangen zu diskutieren, fasse ich mir ein Herz und erwähne zaghaft das Schild, dass wir vor nunmehr fünfzehn Minuten passiert haben. Nach einer weiteren Runde Kreisverkehr entschließen wir uns zur Rückkehr, nehmen aber nicht die Strasse, die wir gekommen sind, sondern die daneben. Vielleicht eine Abkürzung, denke ich, und sage wieder nichts.
Unterdessen habe ich mich so entspannt und genieße unsere lebhafte Unterhaltung derart, dass ich mich nicht mehr wundere, als wir schließlich – nach mehrfachem erneutem Fragen – das Schild nach Giurgiu zwar wieder finden, aber erneut nicht in die angezeigte Richtung fahren.
Stattdessen sind wir irgendwann wieder an dem Kreisverkehr, von dem aus wir umgekehrt waren – und fahren erneut zurück. Mittlerweile habe ich neben jeglicher Orientierung auch jegliches Zeitgefühl verloren, lehne mich zurück und lausche gespannt den Ausführungen des Namenlosen über das Ostberlin der DDR im Vergleich zum zeitgenössischen Osnabrück, und staune über die Sprachgewandtheit Georgis, wenn er wieder einmal einen der in den Bukarester Vororten immer weniger werdenden Passanten auf einem Gemisch aus Bulgarisch, Rumänisch, Englisch und Russisch nach dem Weg fragt.
Es ist nach drei, als ich mich schließlich ins Bett meiner neuen Wohnung in Russe lege – todmüde, überglücklich und in der Gewissheit zweier neuer Freunde in dieser nun nicht mehr so fremden Stadt.”

Nikolay Dimitrov:
“…es ist wahr, dass meine erste Begegnung mit dem Regisseur und meinen Kollegen etwas eigenartig war. Ein neuer Ort, eine fremde Sprache… Ich war froh festzustellen, dass die Bewältigung dieses Problems schon am ersten Tag geschah, bei der ersten Probe.
Es ist mir ein Vergnügen, hier zu arbeiten, weil das Stück, der Regisseur und meine Kollegen großartig sind. Ich glaube, dass eine hervorragende Vorstellung daraus wird.
Ich wünsche allen viel Glück und alles Gute!“

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