13.7.    von Bernhard Stengele

Das Zimmer ist sehr schön. Ein merkwürdiges Hotel in dem ich da gelandet bin, ich denke, es dient der Geldwäsche. Ich schaffe es morgens ordentlich Yoga zu machen, um 6.30, und werde von Adama abgeholt. Wir fahren durch die Stadt nach Napam Beogo. Das ist ein kleines Kulturzentrum vom Cito für unsere Tage angemietet. Ich werde sehr herzlich begrüßt. Viele begabte Kollegen habe ich enttäuscht, viele werden nicht verstehen, warum. Diese Entscheidungen sind schwer. Warum der und nicht ich? Das Leben ist voller solcher Fragen. Und die Antwort fast immer unbefriedigend. Nur ganz selten liegen die Entscheidungsgrundlagen klar auf dem Tisch.  In diesem Fall ist es besonders schwer gewesen, weil mehr Kriterien als sonst eine Rolle spielten, zum Beispiel soziale Kompetenz und  Zuverlässigkeit und das alles antizipert und nicht erfahren.

Es fällt mir schwer französisch zu sprechen, jetzt, da mir alle andächtig zuhören. Ich suche ein wenig nach Worten, erkläre den Kollegen, was wir bis jetzt gearbeitet haben, wie viel Enthusiasmus entstanden ist in Würzburg, wie groß die Freude ist an diesem Projekt teilzunehmen. Obwohl ich müde bin gelingt es mir ein wenig von dem Enthusiasmus zu vermitteln, alles sind noch ein bisschen scheu, aber das wird sich legen.

Wir steigen ein in die Textarbeit, mein lieber Herr Gesangsverein, alles zweisprachig, wirklich sehr anspruchsvoll. Ich schreibe hier nicht, wie die Kollegen arbeiten, wo ihre Stärken und wo die Schwächen sind, das gehört nicht hierher, aber es ist klar, es ist eine Umstellung. Was mir sehr deutlich wird, ist, dass das Französische für alle eine Zweitsprache ist, alle sprechen besser als ich, aber es ist nicht frei, das wird beim lesen sehr deutlich.

Wir arbeiten in der Schwüle drei konzentrierte Stunden, dann geht es los. Der Regen kommt unerwartet,  schnell und heftig, laut, von Donner und Blitz begleitet. Es ist so laut, dass das Arbeiten sinnlos ist, wir haben eh genug getan. Ich beende die Probe, was auf Gelächter stößt, weil es eh nicht mehr geht, aber auch niemand nach Hause fahren kann mit dem Moped – unmöglich. Also warten wir und  diskutieren weiter über Mann / Frau und immer wieder Tradition und Moderne. Quicklebendig, laut und durcheinander – Der Regen lässt nach und wir fahren zu Rachelle für Rizsauce. Ich eß das wirklich gerne, so simpel es ist. Mit der scharfen Sauce und dem zähen Stückchen Fleisch drin. Heute gab es großes Gelächter, als ich von den Vegetariern erzählte und dass wir unmöglich ein Huhn schlachten können auf der Bühne.  Manchmal wird einem in der Fremde bewusst, wie relativ der Begriff Freiheit ist. Ich komme aus jenem Land, wo es  Millionen von Gesetzen gibt, die unsere Freiheit regeln.

Ich sag es jetzt und immer wieder:  die Aufgabe des Darstellers ist beobachten, sehr genau beobachten, nicht bewerten. Ich erzähle von der Doppelmoral, dass Massentierhaltung erlaubt (wahrscheinlich weil wir in Mitteleuropa sonst sofort alle verhungern müssten oder uns nie mehr Fleisch leisten könnten), aber das Schächten verboten ist.

Der Regen kommt und geht. Ich fahre mit dem Moped, Rachelle stellt mir eines zur Verfügung durch die Stadt. So anders. Tiefe Pfützen auf der Straße, die Luft geklärt und angenehm, die Menschen scheinbar unberührt, es gibt keinen Staub, noch spür ich keine Mücken.

Im Hotel fange ich an die Mails zu checken, Schwamm drüber.

Abends gehe ich mit Ouelgo aus, 2 Bier ein bisschen Hähnchen. Ein Gespräch unter Männern.

10.7   von Bernhard Stengele

Manchmal ist es das Reisen vor dem Reisen, das mich durcheinanderbringt.

Eine großartige letzte Vorstellung von den Vögeln mit anschließender Feier. Der Bürgerchor nimmt Abschied. Soviel Begeisterung – schönes Wort eigentlich Be-geist-erung.

Und wir sind das couragierteste Theater in Bayern. Ja, ich wiederhole es solange, bis es alle gehört haben, denn jahrelang wurde man bis zuletzt mit diesem Krisengequatsche zugeballert und dieser Provinzgenügsamkeit und dieser Hierarchie der Städte und der Künste in Deutschland , als ob mit der Bombardierung am 16.03.45 jegliche Zukunftsmöglichkeit erloschen wäre.

Und so viele Papiere soll ich mitnehmen nach Ouagadougou, wo Regenzeit ist und die Moskitos warten und Verträge und Bilder, also professionelle Bilder soll ich machen, ausgerechnet ich. Ich muss meinen Geist umstellen auf Organisation, auf Listen und Abhaken. Also ab nach Berlin.

Ich treffe die Autorin Lilith Jordan, auf einem Stadtstrand beim Hauptbahnhof, bring sie auf den letzten Stand, suche anschließend dieses Flughafenhotel, das kompliziert zu finden und nur mit Klimaanlage zu beschlafen ist, weil zuviel Verkehrslärm. Schlafe schlecht.
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Juli 2011     von Max De Nil

Es beginnt… Es geht los. Wir fangen an.

Wir beginnen mit der Arbeit an LES FUNÉRAILLES DU DÉSERT.

Der von Paul Zoungrana und Lilith Jordan geschriebene Text liegt vor uns. Es gibt ihn wirklich. So lange wurde geplant und darüber gesprochen. Jetzt ist er da. Er dampft noch. Er ist noch nicht ganz vollständig. Es müssen noch einzelne Szenen geschrieben und in Deutschland spielende Geschichten auf Deutsch übersetzt werden. Denn die Sprache ist zu großen Teilen Französisch.

Die Schauspieler aus Burkina Faso kommen erst zum Probenbeginn nach der Sommerpause. Also arbeiten sich die deutschen Kollegen mit verteilten Rollen durch das Stück und so schaffen wir es gemeinsam, lesend und uns gegenseitig mit der Übersetzung helfend, einen ersten Eindruck zu bekommen.

Die Sprache ist kraftvoll und bilderreich. Aber um das alles flüssig in die Schnauze zu bekommen braucht es Übung. Man müsste es einfach so mit Löffeln und Messern und Gabeln und Forken und Fingern fressen können, einen gigantischen Rülpser machen und dann hat man es unvergessbar im Hirn.

Wir sollten uns bemühen, burkinisches Französisch zu sprechen, rät uns Bernhard Stengele le directeur der Produktion.
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posted by Petra Kohse
categories: Spotlight

Petra Kohse has written for the Wanderlust blog since its launch. She has traveled to our Wanderlust theatres and reported on theatre partnerships on location. As her stint as a “Pfadfinder” (theatre scout) winds down, she focuses in her last blog post on contemporary theatre criticism and the conflicting situation in which theatre critics find themselves when working for non-journalistic media, such as an online blog. We thank Petra for her strong commitment and many interesting blog entries. At the start of the new theatre season in September 2011, Tobi Müller will take her place as a Wanderlust blog writer. More info coming soon…

Theatre criticism is (or has been) a journalistic genre, tailored to a specific target group which variety of media aim to reach. In professional journals, one finds detailed descriptions of plays and comparisons with earlier pieces / productions by the same playwright / director. In national papers, readers are presented with articles about current debates in theatre, while in the local papers, the reviews generally fall into the category of “Go! – Don’t Go!” recommendations or warnings. Reports in purely journalistic websites (e.g. Spiegel Online, nachtritik) are usually based on print versions and targeted at their own readership.

The right format is helpful when writing theatre criticism, as it is generally impossible to put an entire evening of theatre into words. And the larger the readership, the less obligated the critic may feel toward the theatre – as a writer who informs the public about (what is normally) publicly funded art.

In recent years, however, a growing number of theatre critics have begun working for non-journalistic media. Freelance writers have been doing this for financial reasons ever since newspapers – to put it positively – began relying more heavily on their permanent staff. And the editors have been doing it because freelancers do it and they want to retain their predominant influence on public opinion. These non-journalistic media are published by theatres themselves in the form of play programmes or seasonal programmes. Or they can be special forums, such as the Wanderlust blog. Or discussion events at theatres, presented by critics, or even entire symposiums, organized and moderated – not by dramaturges – but by theatre critics.
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Der Leseworkshop „Der fremde Blick“ zeigt, wie junge Theaterautoren aus Dänemark und Deutschland auf ihre Nachbarn schauen

Ingolf hat eine Idee: Er will aus einem ehemaligen Konzentrationslager einen Vergnügungspark machen, Wellnessanlagen in den Todesduschen, daneben ein vegetarisches Restaurant. Wenn das der Führer wüsste… Ingolf hat Geld genug, um das zu realisieren. Aber ist er wirklich ein gewissenloser, zynischer Altnazi? Oder provoziert er nur seinen Sohn, zu dem er nie eine intensive Beziehung hatte? Diese Frage wurde leidenschaftlich diskutiert nach der Lesung des ersten Teils von „Der Klang eines Menschen – eine Zwangsvorstellung“ der dänischen Autorin Laerke Sanderhoff.

Das Staatsschauspiel Dresden und das Königliche Theater Kopenhagen haben ein Autorenprojekt gestartet. 2012 wird es Uraufführungen der bekannten Dramatiker Christian Lollike in Deutschland und Martin Heckmanns in Dänemark geben. Parallel arbeiten vier junge Autoren an Stücken über das jeweils andere Land. Zwei Dänen und zwei Deutsche haben Dresden und Kopenhagen besucht und in einem rappelvollen Programm eine Menge Leute getroffen, Gespräche geführt, wichtige Orte angeschaut. Das waren – wie Martin Heckmanns erzählt – in Dänemark nicht nur Politiker, sondern auch Feministinnen und Eheberater, darunter sehr bekannte Leute. Die Autoren bekamen erst die Köpfe vollgestopft und danach völlige Freiheit. Ob nun Einakter oder abendfüllende Texte, Politdramen, Komödien oder experimentelle Texte dabei heraus kommen, hat niemand fest gelegt. Nun zeigten die vier eine Werkschau mit szenischen Lesungen, erst in Kopenhagen, nun in Dresden, in der dritten Spielstätte des kleinen Hauses, ganz oben unterm Dach.
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