26.12.
Wir wollen den Markt filmen, frueh, wenn noch nicht so viel los ist. Um 8 Uhr wandern wir dahin, Stativ, Kamera. Das Licht ist schoen, der Markt in vollem Gange, aber sehr ruhig. Siggi ist ganz begeistert, er habe noch nie einen so unaufgeregten Markt erlebt, normalerweise ist filmen dort unmoeglich. Ich rede mit Haendlern, werde dabei gefilmt und komme mir wichtig vor. Interessant, was eine Kamera so ausmacht. Wir ziehen an Ramsch, Lammhaxen, Lammkoepfen, Lamminnereien vorbei, kein Schwein, das darf auf dem Markt nicht verkauft werden – zu unhygienisch. Gewuerze, Gemuese, Seife – alles wild durcheinander. Kontil erklaert, dass Haendler nie vor Mittag streiten, das bringe Unglueck. Wie grossartig, vielleicht koennten wir so die Welt aendern. Einfach den Streit auf eine bestimmte Stunde legen und dann gibt’s Hitzefrei oder Kaelteferien und zack raus aus Afghanistan.
Mit dem TCV, der burkinischen Busantwort auf den ueberaus zuverlaessigen Hochgeschwindikkeitszug Frankreichs, gehts zurueck nach Ouaga. Die Landschaften schwimmen vorbei. Das Land unberuehrt ohne Staub und Muell, der einem das Leben in der Stadt so schwer macht. Was ist denn Armut? Wie arm muss man sein, um die Unberuehrtheit der Natur einzutauschen gegen den laermenden Muell der Stadt. Birgit wird erzaehlen, dass eine hochintelligente Schauspielerin, Mutter von 2 Kindern, nicht teilnehmen kann am Workshop, weil sie so arm ist, dass sie nicht darauf verzichten kann, durch die Strassen zu ziehen und Lotterielose zu verkaufen. Sie lebt in Verhaeltnissen, die so sind, dass weder Petra noch Birgit bereit waeren, dort zu uebernachten. Und beide sind nicht zimperlich.
Afrika – was ist das? Machen wir es richtig mit unserem Projekt, was sind unsere Kriterien?
Auf jedem Schild steht Solidaritaet, Einheit, Fortschritt.
Ich doese weg, Bilder tauchen auf. Kinder, die lachen, wenn sie mich tanzen sehen, Schneeberge und Mosquitos. Der laermende Fernseher nervt, eine burkinische Comedie. Jetzt wurde diese Pest auch noch exportiert, mir scheint es ebenso unlustig, wie zu Hause. Mensch Markus, oder wie der ganz sexistische Scheisskram heisst, der uns den Kopf vernebelt, so dass wir zwischen Macbookkauf und IPad Hysterie nicht zum Nachdenken kommen. Wieder die Werbung fuer kalorienarmes Wuerzmittel; Ouaga hat uns wieder. Abends wollen wir Haehnchen bei Boulougou. Es gibt keinen Salat, kein Brot, es ist Feiertag, keiner hat Lust zu arbeiten, ich schnauze den Wirt an, wir bekommen , was wir wollen. Verdammt, das haette ich im Buergerspital auch gemacht, wo der reiche Oesterreicher sich nicht zu schade ist, 50 Cent fuer eine Scheibe Brot zu verlangen, selbst wenn man grade fuer 100 Euro gesoffen hat. Heim ins Bett!
25.12
Leise rieselt der Staub. Schon beim Aufwachen habe ich sofort den Geruch des Staubes in der Nase, das ist wirklich anstrengend. Kontil sagt, dass es viele Lungenprobleme gibt und Bronchitis vor allem in den Monaten Dezember und Januar, wenn der Harmathan blaest. Ich bin müde, schaffe kein Yoga, kein Sitzen. Ich stehe auf und wundere mich, dass um 9.00 noch alles still ist. Ich trinke einen Kaffee, das heisst, ich schütte ein Paeckchen Nescafé in einigermaßen heisses Wasser. Langsam werde ich unruhig und gehe los. Weiss nicht genau wohin, Internetcafe oder Hosen kaufen, Hemden. Hier findet man ueberall Second Hand Klamotten für kein Geld, gute Hemden für 2 €. Ich schlendere, naja für bukinische Verhältnisse rase ich an den fliegenden Händlern vorbei, gute Auswahl, aber ich kaufe eh nichts, wie zu Hause auch.

24.12.
Ich habe nicht so gut geschlafen, stehe aber diszipliniert auf, mache die wichtigen Übungen und treffe Siggi zum Kaffee. Es macht grossen Spass mit ihm zu reden; ein sensibler, kluger Mann, bei dem man versteht, warum das so scheue Volk von Guinea Bissao ihn akzeptiert hat, ihre Abgeschiedenheit zu filmen. Mit Angelika bildet er ein sehr gutes Team, die beiden ergaenzen sich und harmonieren sehr schoen. Wir reden ueber seine Arbeit, auch ueber die Zeit in Aethiopien und die tiefen Erfahrungen, die er dort gemacht hat. Diese ganze Diskussion ueber postkoloniales Theater, die ich zu Hause führe, scheint merkwuerdig theoretisch. Nach allem, was ich ueber dieses Leben begreife, ist jeder Versuch Systeme zu entdecken und zu beschreiben ein Versuch die Tatsache zu verdrängen, dass es dieses System letztlich nicht gibt. Es sind mehr oder weniger gelungene Annaeherungen an eine nicht fassbare, ja, nicht existente Wirklichkeit, ein verzweifelter Versuch der Unfassbarkeit des Lebens eine Ordnung aufzuzwingen. Der politische Kampf ist das eine, das Verwechseln mit Wahrheit das andere. Jeder hat ein Leben, das einen nicht systematisierbaren Verlauf nimmt. Alles andere sind Gedankenspiele. Wenn sie helfen diese Welt besser zu machen gut, wenn nicht, schmeiss sie ohne Bedenken in den Mülleimer, denn wenn man auf ihnen besteht, schafft man unendliches Leid.

23.12
>5.00 Uhr. Ich zwinge mich zu ein paar Übungen, kein Kaffee, kurz packen und los. Zu Fuss suche ich das Hotel von Siggi, Angelika und Marcus. Jetzt gegen sechs schläft die Stadt noch, einzelne Frauen kehren mit ihrem kurzen Besen die staubigen Strassen, das sieht so scheisse mühsam aus. Ich verlaufe mich, da bei Tageslicht alles anders aussieht, ohne Verkehr, die ganzen Strassengrills und Cafés fehlen. Mit nur kurzer Verspätung am Hotel, das Taxi wartet, zu siebt sollen wir darin fahren in diesem vollkommen heruntergekommenen alten Renault 19. Angelika kriegt Panik, aber wir kriegen es hin. Der Bus ist pünktlich.

19.12.
Bin schon ein bisschen erschöpft, als Kontil und Ouelgo mich um 11.00 abholen. Wir fahren auf’s Dorf, ungefaehr 40 min ausserhalb von Ouaga. Herrlich durch die stille Stadt mit dem Moped zu brausen, keine Verkehrsregeln, jeder faehrt, wie er will,das vollstaendige Chaos, und es ist so einfach, kein rechts vor links oder so, man schaut und faehrt. Es gibt keinerlei Aggression, es macht Spass, jedenfalls mir, der ich damals mit 14 Jahren mit dem V8 Opel meines Vaters mit 200 ueber die B18 schoss. Entspannt im Dorf angekommen. wir hoeren die klaeglichen Schreie von Ziegen, die geschlachtet werden, Huehner unsd Schweine rennen herum und Kinder. Die Kinder gucken neugierig, der Rest ist fuer den Grill freigegeben. Wir setzen uns unter einen Baum, ich trinke Wasser, dann besichtigen wir das Essen, meine Kollegen entscheiden sich fuer Schwein, das liegt kross gebraten auf einem grossen Blech, das auf dem Feuer liegt, es schmeckt sehr gut, ich esse auch Leber. Dazu trinken wir Bier.

