Eines zeichnet das Team des Dresdner Staatsschauspiels wirklich aus: Es geht erfrischend offen mit Erfolgen und Misserfolgen um. Christian Lollike, der Dramatiker, den Armin Petras vor einigen Jahren als den „dänischen Schlingensief“ bezeichnete und der dort gerade ein Stück über den Terroristen Breivik auf die Bühne bringt, sollte im Zuge der Kooperation mit dem Königlichen Theater Kopenhagen eigentlich mit seinem in Dresden recherchierten Stück „Der Schacht“ uraufgeführt werden. Es beschreibt „den Gang dreier Touristen durch Dresden und ihre Konfrontation mit Ressentiments, Geschichtsverklärung und gebrochenem Idyll“, wie Chefdramaturg Robert Koall es zusammenfasst. Ein Stück also, dass sich ganz im Sinne des Wanderlust-Konzepts tatsächlich mit Dresden auseinandersetzt – ganz aus dem Blick eines Fremden, der am Ende seiner Recherchereise ein Stück produziert haben soll.

„Wir haben lange über den Text diskutiert“, sagt Koall, „und beschlossen, ihn als Lesung zu präsentieren.“ In einer Stadt wie Dresden, die sich so intensiv mit sich, ihrer Identität und ihrer Vergangenheit beschäftigt, würde jedes Stück untergehen, das mit nichts als mit einem unbefangenen Blick auf die Stadt schaut, meinen Koall und sein Intendant Wilfried Schulz. Das wäre nicht auf der Höhe der Dresdner Diskussionen.

Schon hier stellen sich Grundsatzfragen: Wie ergiebig ist es denn wirklich unter künstlerischen Gesichtspunkten, einen Autor für relativ kurze Zeit auf internationale Recherchereise zu schicken? Wie gut kann sich ein „Neuling“ unter lauter „Experten“ an der Stadtgeschichte abarbeiten? Im besten Fall deckt er blinde Flecken auf, im Normalfall kommt er über Klischees kaum hinaus. Umsonst hat Lollike seinen Dresden-Rundgang aber nicht geschrieben: Die Kopenhagener sind vom Stück angetan und wollen es nun bei sich auf den Spielplan setzen.

Ein Glück für Dresden aber, dass Christian Lollike zeitgleich, also im weitesten Sinne noch unter Elb-Einfluss, ein zweites Stück schrieb, das sich umfassender mit der heutigen Lebenswirklichkeit beschäftigt: „Das normale Leben oder Körper und Kampfplatz“ erlebte nun im Kleinen Haus seine Uraufführung, inszeniert vom 28jährigen Regiedebütanten Hauke Meyer. Koall, der Dramaturg der Produktion, beschreibt das Stück im Programmheft als „Gesellschaftsanalyse, die über Dresden weit hinausweist“. Es handle von der Verlorenheit des Einzelnen in einer Welt, deren Anforderungen und Zumutungen seine Kräfte übersteigen. Am Versuch, das „normale Leben“ zu schildern, scheitern die Figuren A, B und C. Wo immer sie beginnen, beim Berufsalltag, bei der Kindererziehung oder der Partnerschaft – letztlich endet jeder Erzählversuch in Wahn, Paranoia, Leistungsversessenheit, Burn-Out oder Depression. Lollikes Figuren sind nicht psychologisch verortet, sie sind eher postdramatische Denkmuster, Systeme, Theorien. Der Autor lässt sie an der „Inneren Stasi“ zugrunde gehen, einem Kontrollsystem, das als eine innere Überwachungskamera beschrieben wird. Man könnte es auch, gut psychoanalytisch, ein Über-Ich nennen – der Begriff „Innere Stasi“ verweist aber neben den psychologischen auch auf die gesellschaftlichen Ursachen des inneren Wahns. Lollike führt die Selbstkontrolle als unser einzig verbliebenes Machtinstrument vor, als Freiheit zur Unfreiheit: Wer nicht mal seinen eigenen Körper kontrollieren kann, was soll er dann unter Kontrolle haben? Wie soll man jemandem vertrauen, der nicht einmal bei einem Stück Kuchen standhaft bleibt?
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posted by Barbara Behrendt
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„Die Wahrheit liegt auf dem Platz” zitierte Lutz Hübner einmal Otto Rehagel, als ich ihn nach seinem Verhältnis zum Publikum fragte. Soll für den Dramatiker heißen: Das beste Stück hat sein Ziel verfehlt, wenn die Leute es nicht sehen wollen. Für keine andere Kunst ist das Publikum so wichtig wie für die Bühne. Literatur lebt vom einsamen Rückzug des Lesers; auch ein Gemälde verlangt nicht nach einem Saal von Betrachtern zur gleichen Zeit, selbst einen Film kann man sich (zur Not) allein auf der Couch anschauen, ohne dass den Film das tangierte. Theater aber findet ohne Publikum schlicht nicht statt. Und: Ein Bühnenkunstwerk verändert sich mit dem Publikum. Nicht das Was, aber das Wie des Geschehens ist beeinflussbar von der Reaktion der Zuschauer – jeder Schauspieler kann ein Lied davon singen, wie sich die Präsenz einer schweigenden Wand oder lachenden Menge auf die Stimmung auswirkt, wie eine konzentrierte oder gelangweilte Audienz. Die Wahrheit, sie liegt fürs Theater also im Parkett.

Dort sitzt „das Publikum“ – und das Wort klingt, als handle es sich um eine homogene Masse. Dabei kann diese Zwangsgemeinschaft eines Abends leicht vom Einzelnen sabotiert werden: Ein Hüsteln an einer heiklen Stelle, ja, ein einziger unzufriedener Zuschauer kann mit Buh-Rufen im Schlussapplaus die Stimmung kippen lassen. Theater, das ist eben auch Dialog zwischen Künstler und Zuschauer – wenn der eine am anderen vorbei redet, fällt die Kunst in den Graben.

Was für eine Macht sie haben, diese Menschen im Zuschauerraum! Und doch, es ist paradox: Das Publikum ist zwar die wichtigste Instanz, gleichzeitig hat sie aber nichts zu melden. Nirgendwo, so scheint es, ist das Verhältnis zwischen Kunstbetrieb und Rezipient so ambivalent wie im Theater. Wie im deutschen Theater, muss man wohl hinzufügen. In keinem anderen Land kann es sich der Bühnenbetrieb erlauben, seinen avantgardistischen Kunstanspruch noch immer so zu behaupten wie in der (trotz aller Sparzwänge) gut subventionierten deutschen Theaterlandschaft. Ist das nun Bevormundung des Publikums? Oder unerlässliche ästhetische Erziehung? Wie auch immer man es finden mag, man braucht diese Errungenschaft nicht so unbedacht abzusetzen, wie sich das die Autoren des „Kulturinfarkts“ wünschen. Oder ist wichtige, bahnbrechende Kunst jemals aus demokratischen Entscheidungen hervorgegangen?

Meine Eindrücke von Theaterbesuchen im Ausland kann man zwar nur oberflächlich nennen: In London kürzlich fiel mir der leicht konsumierbare Fernsehrealismus auf, in Russland die schwergewichtige Tradition. Klischees natürlich, über die es bei kurzen Reisen kaum je hinausgeht. Trotzdem: Die Freiheit zum Experimentieren scheint doch am meisten im deutschen Theater zuhause – gerade weil es nicht zu hundert Prozent von verkauften Eintrittskarten abhängig ist. Einerseits.
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Fast drei Jahre lang haben die Ensembles des Teatro Testoni Ragazzi La Baracca in Bologna und das JES kooperiert, gefördert im Fonds Wanderlust der Kulturstiftung des Bundes. Sie haben sich gegenseitig besucht, Vorstellungen gesehen, unterschiedliche Erzählweisen, aber auch Strukturen kennen gelernt, haben gemeinsam improvisiert, ausprobiert, Geschichten entwickelt, Plots entworfen und verworfen und schließlich inszeniert.

Neben vielen Erfahrungen und Impulsen für die alltägliche Arbeit stehen als Ergebnis dieser Zusammenarbeit vier Inszenierungen: Für die allerkleinsten Besucher „Uno a Uno“ von Roberto Frabetti in einer italienischen Version, bei der er selbst Regie geführt hat, und in einer deutschen Version unter der Regie von Brigitte Dethier. Und für Jugendliche ab 11 Jahren die Stücke „Quer durch die Nacht“ und „Città: Questa notte attraverso la notte“, zwei Inszenierungen, die auf derselben Stückidee basieren und von den jeweiligen Ensembles weiterentwickelt wurden. Alle vier Stücke sind jetzt Anfang Oktober im JES zu sehen, zum offiziellen Abschluss der Kooperation. Dann erscheint auch eine Dokumentation, in der die Mitarbeiter beider Theater noch einmal die Zusammenarbeit sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Theater beleuchten.
Abschluss-Wochenende der deutsch-italienischen Wanderlust-Kooperation 5. -7. 10.2012.


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Vorbereitung sei keine nötig, heißt es aus der Produktion, während eines der Telefonate, um den Probenbesuch in die Wege zu leiten. Außer, klar, den Roman sollte ich schon kennen. Wir reden über „Verbrechen und Strafe“ von Fjodor Dostojewski, in meiner Ausgabe 745 Seiten dick. Mit einem halben Leben und vielen noch längeren Castorferfahrungen im Gepäck, bleibe ich ruhig. Die Zugfahrt von Berlin nach München reicht für ein Dossier über den Regisseur Kristian Smeds und für 160 Seiten Dostojewski-Auffrischung (für den ersten Teil, ein paar Zerquetschte und den Epilog).

Kristian Smeds: ein Anfangsvierziger aus Finnland, der ein kleines Ensemble um sich schart und im Ausland eine Art freies Künstlertheater an großen Häusern zu machen beginnt. Über seine Einflüsse liest man: Artaud, Grotowski, aber auch Eimuntas Nekrosius und, tatsächlich, Castorf. An den Kammerspielen mischt er seine Leute mit drei Ensemblekräften. Auch immer irre: In gelesene Bücher nach langer Zeit noch einmal reinschauen. Oft verwelkt der Flor der ursprünglichen Begeisterung. Welche Umstände, um den studentischen Mörder Raskolnikow auf den letzten fünf Seiten endlich vom reinen Wasser der  – spirituellen, göttlichen, weltlichen? – Liebe trinken zu lassen. Heute lese ich den Roman als historische Milieuschilderung eines noch jungen Autors.

Endlich in München. Die Probe hat eine Stunde früher als angesagt begonnen, ich komme nicht rein und erreiche niemanden. Der Pförtner zeigt immer nur auf den Probenplan. Da müssens die Frau Dingens, äh, eben hab i sie no gsehn… Ja mei, so ist des dann halt. Meine extreme Unfreundlichkeit (in München: mehr oder weniger grußlos Leute ansprechen und direkt die Sachlage schildern) bringt mich irgendwann doch in die Probe. Eeva Bergroth, die Assistentin von Smeds, erklärt im Dunkeln: Also Dostojewski können Sie so gut wie vergessen. Ok, zurück auf Feld Eins.

Ich schaue drei Stunden zu, am andern Morgen erscheint Kristian Smeds etwas zerknautscht zum Gespräch. Er sei eine Nachteule, ich bin ein Morgenmensch. Wir reden dann doch etwas über den Roman, der eben so lange brauche, um nach dem späten Geständnis Raskolnikows auch noch ein (Glaubens-)Bekenntnis anzudeuten (auf Englisch dasselbe Wort: confession). „Doing time“ nennt Smeds das treffend, dessen Englisch sonst nicht immer derart auf dem Punkt landet, es ist bei den meisten ein großes Radebrechen auf den Proben, die bereits zweieinhalb Monate andauern. Wenn es mal schnell gehen muss, redet man dann doch Finnisch oder Deutsch, es sind genug Leute da, die übersetzen. Aber „Doing time“, das passt, heißt einsitzen, wie im Gefängnis, sozusagen: büßen, wie in der Kirche. Strafe, wie in „Verbrechen und Strafe“. Und tatsächlich wird der zweite Teil des Abends dieses „doing time“ räumlich verstehen und eine Ebene tiefer spielen, als die Zuschauer in der Spielhalle sitzen. Wie nennt Smeds diesen Ort da unten? Gefängnis, Keller, Verließ, Kerker, das Unbewusste? „Alle diese Dinge. Außer das Unbewusste…“
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Having eighteen performances after its premier at the Spiegelhalle in Konstanz, Germany and having witnessed a great reception by the city of Konstanz, the play is set to be performed in Malawi for the next coming weeks. The first group which comprises four actors (Misheck Mzumara, Jeremiah Mwaungulu, Noah Bulambo and Dipo Katimba) and the two directors (Clemens Bechtel and Thokozani Kapiri) left for malawi on Sunday, the 8th of July and the rest (Susi Wirth, Michael Müller, Thomas Ecke and Julia) took their flight to Malawi on Wednesday, July 11.

The play is expected to be performed in Malawi on the 15th of July this year at Nanzikambe Arts theatre space in Blantyre. From there the play will be showcased in the country’s lakeside, in Mangochi district at the district hall on the 18th of July. The northern region will have their time to watch The Aid Machinery performance in Mzuzu on July 21 at Mzuzu university hall. The last performance in Malawi will take place on July 24 at Madsoc Theatre in Lilongwe, the capital city

After safely arriving in Malawi the last group of actors which comprises the Germany crew, had their first taste of Africa barely two hours of their being there. They apparently had a car breakdown as they were on their way to Blantyre from Lilongwe. What a way to get introduced to the African environment. So the crew got stranded along the way and had to search for a mere public transport to take them to their destination. Well, what else can be said?  All the best to World 3.0:The Aid Machinery.

(O’tooli Masanza)

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