Die Theaterstücke der Rumänin Lia Bugnar drehen sich immer um die Liebe

Sie scheint wegzukriechen, doch den Kopf mit den Fühlern dreht sie neugierig um, dem Betrachter entgegen. Die silberne Schnecke steht in einem kleinen Park in der Nähe des Oberhausener Hauptbahnhofs. Sie blitzt zwischen Hecken hervor, Kinder lehnen sich gern an sie an, sie ist ein schönes Fotomotiv. Als Lia Bugnar das Kunstobjekt sah, stand für sie der Titel ihres neuen Theaterstücks fest: “Die Schnecke von Oberhausen”.

Das korrespondiert zu Lothar Trolles “Der Engel von Sibiu”, dessen Premiere am 6. März im Radu Stanca Nationaltheater stattfinden wird. Die Kooperation der Bühnen aus Rumänien und dem Ruhrgebiet beinhaltet auch einen kleinen Austausch der Dramatiker. Trolle ist nach Sibiu gereist, um Anregungen für sein Stück zu bekommen, Lia Bugnar schaut sich nun in Oberhausen um.

Lia Bugnar mit Regisseur Radu Nica, der ihr Stück in Oberhausen inszenieren wird.

Ein ausgeprägter Sinn für Selbstironie ist der erste Eindruck beim Gespräch mit der Schauspielerin und Stückeschreiberin. Vielleicht ist es auch ein gnadenloser Realismus im Umgang mit sich selbst. “Ich schreibe nicht gern”, sagt Lia Bugnar, “aber ich habe Erfolg.” Wenn sie schreibt, geht es allerdings schnell. Für ein Theaterstück braucht sie normalerweise eine Woche. Das sei wie die Hausarbeit. “Ich putze auch nicht gern”, sagt sie, “also mache ich es jeden Tag. Damit alles immer sauber ist und ich nie den ganz großen Hausputz vor mir habe.”

Werwölfin und verschwundene Mutter

Lia Bugnars erster Beruf ist die Schauspielerei. Um ihre Lippen zuckt die Andeutung eines Lächelns. “Das ist aber nicht das, was ich am  besten kann. Schreiben kann ich besser.” Dabei hat sie eine internationale Filmographie, mit der andere Darstellerinnen fröhlich angeben würden. Da wären das Künstlerdrama “Modigliani” neben Andy Garcia oder der Horrorfilm “Blood and Chocolate” der deutschen Regisseurin Katja von Garnier. “Da werden wir alle zu Werwölfen.” Das Lächeln wird zum Grinsen, bleibt aber immer noch dezent. “Alle bekamen gelbe Kontaktlinsen.” Von selbst kommt Lia Bugnar nicht auf die Filme zu sprechen, die vor ihrem kritischen Blick bestehen können. Man muss sie schon darauf ansprechen. Auf “Hai paura del buio”  (Du hast Angst vor der Finsternis) zum Beispiel, einem italienischen Film von 2010. Da spielt sie die Mutter eines rumänischen Mädchens, die nach Italien gegangen ist. Als die Mutter plötzlich nicht mehr schreibt und auch kein Geld mehr schickt, macht sich die Tochter auf die Suche nach ihr. “Der Regisseur hieß Coppola, aber nicht Francis Ford und auch nicht Sofia. Massimo Coppola, ich kriege immer die Falschen.” Dann erzählt sie von den Dreharbeiten in einer Stadt, die von den Italienern als hässlich beschrieben wurde. Lia Bugnar fand sie schön, die Wäscheleinen über den schmalen Gassen, die Frauen, die sich lautstark von Wohnung zu Wohnung unterhielten. Ein Klischee, aber auch Realität. Und irgendwie schön. “Aber vielleicht habe ich als Rumänin da auch andere Maßstäbe.”

Schreiben für die Freunde

Mit einem ähnlichen Blick geht Lia Bugnar nun durch Oberhausen. Worum es in ihrem Stück gehen wird, weiß sie noch nicht. Und wenn, würde sie es nicht verraten. Das bringt Unglück. Die Uraufführung ist auch erst in der kommenden Spielzeit. Und sie schreibt ja schnell. Dass ihre Theaterstücke so einen Erfolg haben würden, kam für Lia Bugnar überraschend. In Bukarest, wo sie lebt, zeigen gerade drei Theater ihre Stücke, dazu kommen weitere Aufführungen an anderen rumänischen Theatern, auch in Sibiu. Sie schreibt für ihre Freunde. “Das sind die begabtesten Schauspieler Rumäniens.” Eins dieser Stücke heißt “Crumbls” und ist eine Komödie aus dem Alltag. Einen Mann und eine Frau, die finden, dass ihre Umwelt stinkt, lernen wir in “You can’t feel it here” kennen. Eine Liebesgeschichte zweier seltsamer Charaktere. “In allen meinen Stücken geht es um die Liebe.”

Der rumänische Regisseur Radu Nica wird die Uraufführung ihrer “Schnecke von Oberhausen” inszenieren. In Rumänien führt Lia Bugnar gern selbst Regie, aber ausschließlich bei eigenen Werken. “In den Stücken stecken ohnehin schon so viele Regieanweisungen und Interpretationen.” Sie weiß genau, was sie will. Über das Schreiben ist Lia Bugnar auch nach längerer Abwesenheit auf die Bühne zurückgekehrt. Nicht immer freiwillig. Als sie mit einem ihrer Stücke zum Fringe Festival nach Edinburgh eingeladen war, warf eine Schauspielerin einen Tag vor der Abreise das Handtuch. Sie hatte Angst davor, auf Englisch zu spielen. Lia Bugnar sprang ein und gewann einen Preis als beste Schauspielerin des Festivals. War das ein Moment von Stolz in ihren Augen? Sofort zwinkert und lächelt sie wieder. Als ob sie sagen wollte: Stell dir das mal vor! Ich! Wie absurd!

Partnerin im Überlebenskampf

Lia Bugnar schreibt auch Drehbücher. Im März kommt eine von ihr geschriebene romantische Komödie in die rumänischen Kinos. “Da hat ein amerikanischer Scriptdoktor auf das Drehbuch geschaut. Und fragte überrascht, die wievielte Fassung das denn sei?” Es war natürlich die erste, schnell geschrieben, wie immer. Auf die Inspiration des Augenblicks zu vertrauen, war dem Mann aus Hollywood sehr fremd. Im Team für eine Fernsehserie zu schreiben, hat Lia Bugnar ausprobiert. Aber diese Arbeit blieb ihr fremd. Als Autorin entwickelt sie ihre Sachen lieber allen. Im Theater hingegen liebt sie die Zusammenarbeit. Für Andrej Zholdak, den als extrem fordernd bekannten Regisseur, der in Oberhausen und Sibiu arbeitet, hat sie “Turandot” von Carlo Gozzi neu bearbeitet. “Ich habe bei den Proben zugeschaut, nachts geschrieben und am nächsten Tag die Texte mitgebracht.” Dass Lia Bugnar schnell schreibt, hatten wir ja schon erwähnt. “Dann war ich eine Woche weg, um den Film in Italien zu drehen. Als ich wieder kam, hatte Zholdak das meiste von meinem Text gestrichen.” Sie war nicht sauer, im Gegenteil, am Ende der Produktion fungierte sie als Regieassistentin. Als Ansprechpartnerin für die Schauspieler, die Zholdak manchmal zur Verzweiflung trieb. “Es ist ein Überlebenskampf, sie gehen an ihre körperlichen und seelischen Grenzen. Aber für viele ist die Begegnung mit Zholdak das Treffen ihres Lebens.”

Lia Bugnar hat extrem hohe Ansprüche an sich selbst. Was an ihren hoch begabten Schauspielerfreunden liegen könnte.  Und auch an ihrem Ehemann, “dem besten Bühnenbildner Rumäniens”, wie sie sagt. Zumindest hat sie durch seinen Erfolg keinen Druck, Geld nach Hause bringen zu müssen. “Was ich mache, ist mein Hobby.” Moment. Stimmt das Wort? Oder stapelt Lia Bugnar wieder tief? Meint sie vielleicht Leidenschaft? Sie denkt nach. “Ich meine Freude. Ich schreibe, weil es mir gefällt. Vielleicht sollten im Theater mehr Leute aus Neigung und aus Freude arbeiten.” In diesem Moment liegt keine Andeutung von Ironie in Lea Bugnars Stimme.

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