Fast drei Jahre lang haben die Ensembles des Teatro Testoni Ragazzi La Baracca in Bologna und das JES kooperiert, gefördert im Fonds Wanderlust der Kulturstiftung des Bundes. Sie haben sich gegenseitig besucht, Vorstellungen gesehen, unterschiedliche Erzählweisen, aber auch Strukturen kennen gelernt, haben gemeinsam improvisiert, ausprobiert, Geschichten entwickelt, Plots entworfen und verworfen und schließlich inszeniert.

Neben vielen Erfahrungen und Impulsen für die alltägliche Arbeit stehen als Ergebnis dieser Zusammenarbeit vier Inszenierungen: Für die allerkleinsten Besucher „Uno a Uno“ von Roberto Frabetti in einer italienischen Version, bei der er selbst Regie geführt hat, und in einer deutschen Version unter der Regie von Brigitte Dethier. Und für Jugendliche ab 11 Jahren die Stücke „Quer durch die Nacht“ und „Città: Questa notte attraverso la notte“, zwei Inszenierungen, die auf derselben Stückidee basieren und von den jeweiligen Ensembles weiterentwickelt wurden. Alle vier Stücke sind jetzt Anfang Oktober im JES zu sehen, zum offiziellen Abschluss der Kooperation. Dann erscheint auch eine Dokumentation, in der die Mitarbeiter beider Theater noch einmal die Zusammenarbeit sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Theater beleuchten.
Abschluss-Wochenende der deutsch-italienischen Wanderlust-Kooperation 5. -7. 10.2012.


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Vorbereitung sei keine nötig, heißt es aus der Produktion, während eines der Telefonate, um den Probenbesuch in die Wege zu leiten. Außer, klar, den Roman sollte ich schon kennen. Wir reden über „Verbrechen und Strafe“ von Fjodor Dostojewski, in meiner Ausgabe 745 Seiten dick. Mit einem halben Leben und vielen noch längeren Castorferfahrungen im Gepäck, bleibe ich ruhig. Die Zugfahrt von Berlin nach München reicht für ein Dossier über den Regisseur Kristian Smeds und für 160 Seiten Dostojewski-Auffrischung (für den ersten Teil, ein paar Zerquetschte und den Epilog).

Kristian Smeds: ein Anfangsvierziger aus Finnland, der ein kleines Ensemble um sich schart und im Ausland eine Art freies Künstlertheater an großen Häusern zu machen beginnt. Über seine Einflüsse liest man: Artaud, Grotowski, aber auch Eimuntas Nekrosius und, tatsächlich, Castorf. An den Kammerspielen mischt er seine Leute mit drei Ensemblekräften. Auch immer irre: In gelesene Bücher nach langer Zeit noch einmal reinschauen. Oft verwelkt der Flor der ursprünglichen Begeisterung. Welche Umstände, um den studentischen Mörder Raskolnikow auf den letzten fünf Seiten endlich vom reinen Wasser der  – spirituellen, göttlichen, weltlichen? – Liebe trinken zu lassen. Heute lese ich den Roman als historische Milieuschilderung eines noch jungen Autors.

Endlich in München. Die Probe hat eine Stunde früher als angesagt begonnen, ich komme nicht rein und erreiche niemanden. Der Pförtner zeigt immer nur auf den Probenplan. Da müssens die Frau Dingens, äh, eben hab i sie no gsehn… Ja mei, so ist des dann halt. Meine extreme Unfreundlichkeit (in München: mehr oder weniger grußlos Leute ansprechen und direkt die Sachlage schildern) bringt mich irgendwann doch in die Probe. Eeva Bergroth, die Assistentin von Smeds, erklärt im Dunkeln: Also Dostojewski können Sie so gut wie vergessen. Ok, zurück auf Feld Eins.

Ich schaue drei Stunden zu, am andern Morgen erscheint Kristian Smeds etwas zerknautscht zum Gespräch. Er sei eine Nachteule, ich bin ein Morgenmensch. Wir reden dann doch etwas über den Roman, der eben so lange brauche, um nach dem späten Geständnis Raskolnikows auch noch ein (Glaubens-)Bekenntnis anzudeuten (auf Englisch dasselbe Wort: confession). „Doing time“ nennt Smeds das treffend, dessen Englisch sonst nicht immer derart auf dem Punkt landet, es ist bei den meisten ein großes Radebrechen auf den Proben, die bereits zweieinhalb Monate andauern. Wenn es mal schnell gehen muss, redet man dann doch Finnisch oder Deutsch, es sind genug Leute da, die übersetzen. Aber „Doing time“, das passt, heißt einsitzen, wie im Gefängnis, sozusagen: büßen, wie in der Kirche. Strafe, wie in „Verbrechen und Strafe“. Und tatsächlich wird der zweite Teil des Abends dieses „doing time“ räumlich verstehen und eine Ebene tiefer spielen, als die Zuschauer in der Spielhalle sitzen. Wie nennt Smeds diesen Ort da unten? Gefängnis, Keller, Verließ, Kerker, das Unbewusste? „Alle diese Dinge. Außer das Unbewusste…“
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Having eighteen performances after its premier at the Spiegelhalle in Konstanz, Germany and having witnessed a great reception by the city of Konstanz, the play is set to be performed in Malawi for the next coming weeks. The first group which comprises four actors (Misheck Mzumara, Jeremiah Mwaungulu, Noah Bulambo and Dipo Katimba) and the two directors (Clemens Bechtel and Thokozani Kapiri) left for malawi on Sunday, the 8th of July and the rest (Susi Wirth, Michael Müller, Thomas Ecke and Julia) took their flight to Malawi on Wednesday, July 11.

The play is expected to be performed in Malawi on the 15th of July this year at Nanzikambe Arts theatre space in Blantyre. From there the play will be showcased in the country’s lakeside, in Mangochi district at the district hall on the 18th of July. The northern region will have their time to watch The Aid Machinery performance in Mzuzu on July 21 at Mzuzu university hall. The last performance in Malawi will take place on July 24 at Madsoc Theatre in Lilongwe, the capital city

After safely arriving in Malawi the last group of actors which comprises the Germany crew, had their first taste of Africa barely two hours of their being there. They apparently had a car breakdown as they were on their way to Blantyre from Lilongwe. What a way to get introduced to the African environment. So the crew got stranded along the way and had to search for a mere public transport to take them to their destination. Well, what else can be said?  All the best to World 3.0:The Aid Machinery.

(O’tooli Masanza)

‘’We stay when the others leave’’, is a line quoted from one of the lady Africans working in a German NGO Office, in the play World 3.0: The Aid Machinery. In the scene, the young lady explains or rather complains how she does the same kind of work that her European colleague does, but gets half the European salary.

But The Aid Machinery is not a play about how people of different races work and get paid in different offices and organizations. It is a play about the conflicts that arise between African and European communities on the basis of Development Aid. It focuses more on how funds get misused and how a lot of people get negatively affected by it.

In the play, an African village is given money to help construct a powerhouse which will help generate electricity for the whole village. It is the coming of this money that cause a lot of conflicts because of  the people that the NGO must first please with the money, in order to freely work on the project, which in the end does not help constructing the powerhouse.

The Aid Machinery, a nine cast play, directed by Clemens Bechtel and Thokozani Kapiri had its premier on the 8th of June, after having eight weeks of rehearsal. It is a play that brought together different funders of both Theatre and Development Aid to come and witness the reality of Development Aid.

(O’tooli Masanza)

posted by Tobi Mueller
categories: Spotlight

In der westlichen Welt beruft man sich gerne auf die Autonomie der Kunst. Frei sei sie, heißt es reflexhaft. Die hohen Kultursubventionen, gerade für das Theater, dienten dazu, die Hoheit der Kunst zu wahren, und diese nicht etwa allein an den Markt zu delegieren. Auch nicht an den politischen Träger, der diese Kultursubventionen legitimiert. So schön das klingt, das sind ein Stück weit stets Sonntagsreden, wenn das heißt: sich auf etwas berufen, das man schon lange nicht mehr konkret versteht. Denn selbstverständlich wird auch Kunst in Abhängigkeitsverhältnissen produziert. Mal in freieren, mal in unfreieren. Im internationalen Vergleich gibt es in Deutschland für die Theaterkunst vergleichsweise paradiesische Rahmenbedingungen. Dennoch: Die Rede, die all dies abbrechen will, geistert schon längst durch Kunst und Politik. Ein Buch wie der vieldiskutierte “Kulturinfarkt” bringt das nur noch einmal besonders populistisch – bei tatsächlicher Lektüre auch: dadaistisch unverständlich – auf den Punkt. Logisch, dass die Angst vor diesem Populismus auch Auswirkungen hat auf die Kunst selbst.

Was bedeutet das für die Theater? Und für ein Projekt wie den Fonds Wanderlust? Für den Alltag einer Bühne bedeutet es in der Regel noch nicht die Welt. Die Mehrzahl der Premieren und das Repertoire unterliegen zwar immer stärker Auslastungsvorgaben, Zwänge gibt es also auch da, Angst sowieso. Kenntlicher wird das Abhängigkeitsverhältnis, wenn ein Haus die Mittel anderswo besorgen muss, weil weder die wiederkehrende Subvention noch die Eigenfinanzierung dafür ausreichen. Das Zauberwort heißt dann: Drittmittel. Nicht wenige Häuser prägen ihr Profil entscheidend mit Projekten, die nur dank Drittmitteln möglich werden. Niemand hat diese Kunst der Geldbeschaffung in den letzten zehn Jahren erfolgreicher betrieben als Matthias Lilienthal mit dem Hebbel am Ufer in Berlin, kurz HAU.

Lilienthals Intendanz ist ein gutes Beispiel, wie man dabei unabhängig bleiben kann, auch wenn vereinzelte Konzessionen an die jeweilige Kulturbehörde nicht ausbleiben. Natürlich wissen die Antragsschreiber, wer in welchen Jurys sitzt, wie man das entsprechend zu formulieren hat, wo man mit welchem Thema eher durchkommt. Was am Ende dabei herauskommt, steht aber jeweils auf einem anderen Blatt. Mit einer Mischung aus Pragmatismus, Schlitzohrigkeit und der unplanbaren Ereignishaftigkeit jeder künstlerischen Produktion, die den Namen verdient, sucht man sich einen Weg, der den Geldgeber nicht erzürnt und dennoch das Profil des Hauses nicht nach Belieben biegt. In den besten Fällen sind Theaterprojekte die Keimzellen für spätere Förderprojekte: Was die Kammerspiele in München mit dem Stadtteilprojekt “Bunny Hill” oder Lilienthals HAU in Permanenz probiert haben, hat seine Spuren in zwei Fonds der Bundeskulturstiftung hinterlassen (Wanderlust und Heimspiel).

Das sind Glücksfälle, weil sich die Kulturförderung von der Kunst inspirieren lässt, und nicht umgekehrt. Denn es gibt eine Tendenz, eine Verschiebung, die eher an den Rändern deutlich wird als in den Metropolen: Kulturförderer verhalten sich wie Künstler, während Künstler sich vermehrt wie Kulturförderer im Sinne von Ermöglicher und Ausführende verhalten. Konkret heißt das: Der Geldgeber macht zu viele inhaltliche Vorgaben, verhält sich kuratorisch, während der Künstler dann noch möglichst gut ausführt, damit er beim nächsten Mal auch wieder Förderung kriegt. So wie ich den Wanderlust Fonds verstanden habe, gehört er nicht in diese Kategorie. Man kann ihn allerdings auch missverstehen. Nicht als Rahmenbedingung, eine Partnerschaft zu ermöglichen, sondern als Plattform, auf der man die Völkerverständigung darstellt oder sogar abfeiert. In diesen Fällen wird die Rahmenbedingung zum Inhalt, und die Behörde agiert unfreiwillig künstlerisch. Solche Fälle hat es meiner Ansicht nach durchaus gegeben. Manchmal benimmt sich die Kunst unterwürfiger, als es der politische Agent verlangt.

Es gibt Gründe für diese Tendenz, dass die Kunst als ausführender Arm (vermuteter) politischer Fantasien auftritt. Jeder, der ein bisschen Max Weber oder ein bisschen Systemtheorie gelesen hat, oder einfach jeder Freischaffende auf dem Kulturkarrussell weiß, dass Institutionen viel Zeit damit verbringen, ihren Apparat zu erhalten oder sogar zu vergrößern. Es geht in der Kulturförderung immer wieder um die Kulturförderung, und nicht um die Kunst, schon gar nicht um die Künstler (das gilt genauso für alle journalistischen Institutionen, die ich von innen kennen gelernt habe. ALLE). Auch das lernt man bei der Lektüre von “Kulturinfarkt”: Wer täglich mit Kunst/Kultur in Kontakt kommt, läuft Gefahr, die Künstler zu hassen. Und probiert es deshalb lieber gleich selbst, in Form von inhaltlichen Vorgaben und Projekten, nach denen sich die Kunst zu richten hat. Ein bisschen muss man das auch verstehen: Man hat als Journalist oder als Kulturförderer in der Tat mit viel schlechter Kunst zu tun. Man muss auf alle Seiten hin vermitteln, warum man überhaupt noch Kultur machen muss (in der Zeitung, im Parlament, am Tresen). Und man deliriert irgendwann, entwickelt Fantasien, wie man das reibungsloser organisieren könnte. Damit endlich Ruhe einkehrt. Allein: Kunst handelt nicht von Ruhe.

Wie unverhüllt übergriffige Fördermodelle anderswo sein können, hat mir die Wanderlust-Reise nach Konstanz gezeigt: Thoko Kapiri von Nanzikambe Arts in Malawi erklärte mir, was sein Theater bisher so gespielt hatte. Ibsen, als die Norweger bezahlten. Menschenrechtsthemen, als die Menschnenrechtsorganisationen bezahlten. Vermutlich hat Kapiris Gruppe Wege gefunden, innerhalb dieser unverschämten Vorgaben noch immer Dinge zu finden, die man interessant fand. Das geht ja immer. Nur von der Autonomie der Kunst sollte man auch bei uns seltener reden, wenn man nicht definieren kann, wie die Autonomie konkret aussieht. Kapiri und das Theater Konstanz haben sich für ein Projekt über Entwicklungshilfe entschieden, bezahlt von der Bundeskulturstiftung. Auf den Proben wurden keine Verständigung der Kulturen durch Kultur – Trommeln etc. – gesichtet. Das ist ein Anfang, an dem sich auch manches deutsche Theater orientieren könnte, das, leicht gebückten Ganges, auf die Suche nach Drittmitteln geht.

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