
Kontil und ich fahren um 5 Uhr morgens mit dem Bus nach Dori. Ich bin ein bisschen sauer, als ich höre, dass das Programm auf afrikanische Art abläuft: er hat weder das Hotel reserviert noch die Organisationen, mit denen ich ins Gespräch kommen will, über unser Kommen informiert. Wir gehen einfach hin. Und im schlimmsten Fall findet der Gesprächstermin einen Tag später statt. Nur auf mein wiederholtes Nachfragen versucht er, das Oasis telefonisch zu erreichen, was aber unmöglich ist. Niemand geht ans Telefon. Meine unterschwelligen Sorgen gehen in einem allgemeinen Gefühl afrikanischer Gleichgültigkeit auf: es wird schon irgendwie werden. Und tatsächlich. Nach vierstündiger Fahrt durch Burkina Faso in Dori angekommen, suchen wir uns mit Hilfe von Passanten und (das wage ich aber nur heimlich) dem Stadtplan aus dem Lonely-Planet-Reiseführer den Weg zum Hotel Oasis, dem besten Hotel am Platz. Immerhin gibt es Klimaanlage und ein eigenes Badezimmer – wenn denn der Strom denn funktioniert und es Wasser gibt. Erst abends werden wir von beidem profitieren können.

Baumwolle: Mode aus Burkina
Der Tag beginnt mit einem Besuch des Ateliers der Kostümbildnerin und Designerin Martine Zome. Dass dem eine staubige und holprige 30minütige „Reise“ mit Kontils ständig defektem Moped vorangeht (diesmal ist es das Gas-Brems-Verhältnis, soll heißen, dass das Moped immer bremst, wenn Kontil Gas gibt, was nicht unmittelbar zum Wohlbehagen der hinten sitzenden Mitfahrerin beiträgt), soll an dieser Stelle nicht erwähnt werden, zumal, wenn man auch noch die ebenso lange Rückreise bedenkt. Die Fahrt, das muss zur Verteidigung gesagt werden, führt allerdings durch von mir noch unentdeckte und sehr sehenswerte weil authentische Viertel Ouagadougous, vorbei am Krankenhaus und jenem Kunsthandwerk-Zentrum, in dem Touristen auf Anraten der meisten Reiseführer afrikanische Masken und Stoffe kaufen. Auf den Straßen sieht man neben dem üblichen Gedränge und Gehopse von Fahrrädern und Mopeds vermehrt bunte Busse mit Schulkindern, Lastkraftwagen und Eselkarren, beide mit zum Teil immensen Lasten beladen, die häufig in bedrohliche Nähe ungeschützter Körperteile geraten. Beruhigend, dass man nicht allein ist: an einer roten Ampel, die überraschenderweise von allen respektiert wird, spricht mich ein französischer Volontär an, der sich gerade in einer ähnlichen Situation, also ebenfalls auf dem Rücksitz eines desolaten burkinischen Mopeds, befindet. Die bekannte Solidarität der Expats, wie man hier lebende Europäer nennt, greift sogar schon für einen kurzen Moment an einer roten Ampel.

Arbeiten bedeutet hier in Burkina immer auch Kommunikation, Begegnung, Austausch. Meine Begeisterung, den ganzen Nachmittag still im Büro des Goethe-Instituts zu verbringen und an meinem Laptop zu arbeiten, lässt sich für die hiesigen Kollegen kaum verstehen. Kontakte sind das zentrale Element einer erfolgreichen Arbeit hier. Aber es fällt auch leicht, sich einzufügen, sehr schnell erkennt man einander wieder und kommt ins Gespräch. Auch im Zuge meiner Recherchen ist es wichtig, über entsprechende Kontakte zu verfügen, die nicht immer direkt laufen. So treffe ich heute einen Schauspieler, der in einem Tournee-Aufklärungsstück über Desertifikation mitgewirkt hat, um morgen eine Expertin für Desertifikation zu treffen, die mir alles über die aktuelle Situation, Entwicklungen und Gegenmaßnahmen erzählen wird. Das, was sich für mich – auch im Bewusstsein, alles in 11 Tagen erledigen zu müssen – manchmal wie ein kommunikativer Umweg anfühlt, ist der Weg zum Ziel. Und lohnt sich jedes Mal. Man erfährt mehr, als wäre man direkt mit der Expertin in Kontakt gekommen. Zu der Information über das Sachthema gibt es Informationen über die burkinische Theaterszene, über Stücke, Ästhetik und das Alltagsleben in Burkina gratis dazu.
Auch im C.I.T.O. fühlt man sich schnell zu Hause. Man schaut einfach vorbei oder setzt sich auf einen Nescafé in die angrenzende Bar. Irgendjemand ist immer da, den man kennt und der nur auf eine Unterhaltung wartet. Abends treffe ich mich zu einem sehr konstruktiven Gespräch mit den beiden Chefs Martin Zongo und Adama Kaboré. Wir alle sind schon sehr gespannt auf die Kooperation. Nebenan laufen die Proben für “GOMBO Noir”, einer Übertragung von Gogols Revisor ins Afrika von heute, als plötzlich der Strom ausfällt. So etwas passiert hier sehr häufig. Das bedeutet dann auch, dass die Arbeit plötzlich für Stunden unterbrochen wird. Alle stehen vor dem Theater, unterhalten sich, trinken, rauchen und warten, bis es weiter gehen kann. Dieser Stromausfall dauert leider lange. Verständlicherweise, das bekräftigt auch Martin Zongo, ist der Wunsch nach einer sicheren Stromversorgung groß.
Organisatorisches
Am Vormittag stehen Besorgungen auf dem Programm: eine neue Handy-SIM-Karte für den burkinischen Telefonanschluss sowie ein Prepaid-Internet-Anschluss für den Computer. Der Internet-Shop sieht ein bisschen aus wie man sich in unseren Breiten ein klassisches Arbeitsamt vorstellt: Nummer ziehen, dann warten – nur ein bisschen chaotischer und bunter. Trotzdem geht es schnell und der Anschluss funktioniert, wenn auch die Einheiten rasend schnell verbraucht sind. Immerhin soll der Anschluss in ganz Burkina Faso, also auch in den kleinsten Dörfern, in denen es nicht einmal Elektrizität gibt, funktionieren. Und genau dahin werde ich mich in den nächsten Tagen aufmachen.

