Am Telefon ist Thomas Spieckermann, Chefdramaturg des Theater Konstanz. Am 8. Juni ist Premiere von „Welt 3.0 – Maschinerie Hilfe“, dem Abschlussprojekt einer langen Geschichte zwischen Konstanz und Malawi. Seit zwei Jahren wird dieses Stück vorbereitet, und doch passieren die konkretesten Dingen immer am Schluss. Der Text, die Verabredungen, die Länge. Und dann ändern auch noch die politischen Verhältnisse über Nacht. Aber der Reihe nach.

Wir hatten uns kennengelernt in Würzburg, im November bei der Tagung über Theaterarbeit in Afrika. Dort erzählte Spieckermann bereits über seine Erfahrungen in Malawi, in dem kleinen südostafrikanischen Land zwischen Mosambik, Sambia und Tansania im Nordosten. Schon im dritten Jahr arbeitet man in Konstanz mit den Leuten von Nanzikambe Arts in Blantyre zusammen, dank dem Wanderlust Fonds. Und auch das Auswärtige Amt hat etwas locker gemacht, für einen etwas kleineren Austausch mit Theatermachern aus Lohmé, der Hauptstadt von Togo, Westafrika. Es gibt zurzeit kein anderes Stadttheater, das den Austausch mit afrikanischen Partnern derart ernst nimmt. Die aktuelle Spielzeit hat man in Konstanz gleich ganz diesen Erfahrungen gewidmet: „Afrika – In weiter Ferne so nah“. Und plötzlich schaut man auch überregional auf das Theater am Bodensee. Die „taz“ hat berichtet, die „Süddeutsche Zeitung“ hat eine Reportage vor Ort bestellt. Der Wanderlust-Blogger fährt natürlich selbst hin: nächste Woche zur Probe.

Spieckermann muss kurz überlegen, wenn ich ihn frage, wie viele Male er bereits nach Malawi gefahren sei. „Fünf…, nein vier Mal. Das erste Mal war privat.“ Auch der Intendant Christoph Nix hat „Afrika-Erfahrung“, wie man wohl sagt, wenn man keine hat. Wenn man da war, spricht man ja eher von Uganda, Malawi oder Togo. Jedenfalls merkt man im Gespräch mit Spieckermann, dass es sich hier um mehr handelt als um ein Drittmittelprojekt, also eine Inszenierung, die man mal macht, weil es vielleicht ganz spannend ist, mal wegzufahren und aus der Mühle rauszukommen, und weil das auch jemand anders bezahlt. Man merkt es, weil er kaum je die großen Phrasen bemüht wie „Also in Afrika ist es ja so, dass….“ oder „Auffallend ist…“. Man war oft genug da, um sich mit den Dingen zu beschäftigen, nicht allein mit den Vorstellungen. Es sind Dinge wie: Ein Drittel des Etats des Staates Malawi sind Entwicklungsgelder, die meisten davon wurden allerdings von einem diktatorischen Regime veruntreut, im vergangenen April starb das Staatsoberhaupt und wurde von einer Frau abgelöst, der Reformpolitikerin Joyce Banda, die nun versucht, die Entwicklungsgelder und Investitionen wieder ins Land zu holen. Es sind aber auch Dinge wie, dass während der Zusammenarbeit mit den Spielern von Nanzikambe Arts in Blantyre die Leitung ausgetauscht wurde, von einer Britin und einem Südafrikaner ging sie an malawische Künstler. „Es war nicht immer klar, ob unser Projekt unter diesen Umständen weiter gehen würde.“

Das sind alles Dinge, die nahe legen, den Kulturaustausch oder den Kulturclash auch zum Thema zu machen. Zwei deutsche Autoren, darunter Spieckermann selbst, zwei malawische haben nach den Workshops geschrieben, schreiben noch. Eine deutsche NGO (Nicht-Regierungsorganisation) in Malawi, ein Dorf auf dem Land, das Büro zu Hause in Deutschland, das sind die Schauplätze, auf denen Dinge explodieren und die Sprachen sich mischen. Obwohl dieser Austausch auch mitten im Repertoire stattfindet, das ganze Haus bestimmt und damit seine Exotik zugunsten einer Inhaltlichkeit schrittweise aufgeben kann, steht in „Welt 3.0 – Maschinerie Hilfe“ die Situation des Austausches im Zentrum. „Ja“, sagt Spieckermann, „man kann kaum anders, wenn man zusammen auf der Bühne steht. Vielleicht braucht man noch mehr Zeit, um diese Themen hinter sich zu lassen.“ Allerdings, und das ist zentral für dieses Projekt der gegenseitigen Zu- und Überschreibungen in einer gemischtkulturellen Ko-Autorschaft: „Wir arbeiten an einer fiktionalen Geschichte, das ist kein Dokumentartheater.“

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